BFF on the Road: Mar del Plata und der Blick auf den jungen Film aus Lateinamerika


Still aus MASCARADOS von Henrique und Marcela Borela © International Filmfestival Mar del Plata, 2020

Still aus MASCARADOS von Henrique und Marcela Borela © International Filmfestival Mar del Plata, 2020

Internationales Filmfestival Mar del Plata: Die Filme des lateinamerikanischen Wettbewerbs

Zehn Filme aus verschiedenen Ländern Lateinamerikas sind sich beim traditionsreichen argentinischen Filmfestival in Mar del Plata gegenübergestanden. Ermöglicht haben die Beiträge einen Einblick in den Experimentalfilm aus Uruguay, Mexiko, Chile, Panama, Kolumbien, Brasilien und Argentinien. Das Konzept zwischen Spiel- und Dokumentarfilme keinen Unterschied zu machen, und diese für einen einzigen Preis gegeneinander konkurrieren zu lassen, hat seine Schwächen. Eigenschaften eines Films wie Erzählrhythmus, Kameraarbeit oder Schnitt übertragen sich auf beide Genres, doch Schauspielerführung, Dialoge, Ausstattung oder Originalität der Geschichte sind Leistungen, die bei einem Spielfilm größere Bedeutung einnehmen. Die beiden Genres zu trennen, würde den Zwang diesen unnatürlichen Spagates verhindern, zwei, eben eigenständige Gattungen mit gleichem Maßstab beurteilen zu müssen.

Abgesehen von der Mischung zwischen Dokumentar- und Spielfilm wiesen die zehn Wettbewerbsfilme eine eine große Vielfalt von Inhalt und Form auf. Vielen Beiträgen war es ein Anliegen nicht nur klassische Erzählstrukturen, sondern auch ästhetische Konzepte aufzubrechen. Nicht immer ist es gelungen, in manchen Fällen schien das einzige Konzept darin zu bestehen, möglichst alles anders machen zu wollen als alle anderen, ohne dass dadurch seinerseits etwas Eigenständiges gelungen worden sei. Diesem Prinzip ist AL MORIR LA MATINÉE (engl. Titel RED SCREENING) am allerwenigsten gefolgt. Mit seinem zweiten Langspielfilm erweist Maximiliano Contenti aus Uruguay dem Splatter- und Giallofilm seine Reverenz. Das Massaker findet im Kinosaal statt, nicht nur auf der Leinwand, auf der eine merkwürdige Fassung des Frankensteinstoffes läuft, sondern ganz konkret fallen die Zuschauer einem wortkargen, aber umso entschlossenen Mörder, der es auf die Augen seiner Opfer abgesehen hat. Contentis Film größte Stärke ist es, dass es er sich nicht ernst nimmt. Das bedeutet nicht, dass er keinen Wert auf eine souveräne Kameraführung, eindrucksvollen Spannungseffekten oder einem geschlossenen dramaturgischen Erzählbogen, sondern dass er vor allem nicht mehr sein will, als das was er offensichtlich darstellt.

Still aus AL MORIR LA MATINÉE von Maximiliano Contenti © International Filmfestival Mar del Plata, 2020

Still aus AL MORIR LA MATINÉE von Maximiliano Contenti © International Filmfestival Mar del Plata, 2020

Zu einer ebenfalls eher konventionelleren, linearen Erzählform greifen zwei weitere Filme des Wettbewerb zurück. PIOLA von Luis Pérez aus Chile ist eine Art Mosaikfilm im Stile von Alejandro Gonzalez Iñarritu, der sich auf das Gefühlsleben von Jugendlichen konzentriert. Es geht darin um Identität, aber auch um Gewaltbereitschaft und Rebellion. Indem der Film im Wesentlichen einen Zeitraum von nur wenigen Tagen bespricht, erzeugt er eine überzeugende Einheitlichkeit nicht nur von Zeit, sondern auch von Raum. In seinem Spielfilmdebüt hat Pérez ausdrucksstarke Darsteller verpflichtet und bereits bewiesen, dass ihm das handwerkliche Geschick fürs Filmemachen gegeben ist. Jetzt geht es darum, dass er eine persönliche Handschrift entwickelt.

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