Blogs im Blick: Cannes im Blick


Während in Berlin die Filmfestivalwelt nach den Schwergewichten achtung berlin und filmPolska halbwegs zur Ruhe gekommen ist, richten sich die Augen seit 12. August weltweit auf das „Festival de Cannes„, das wahrscheinlich wichtigste Filmfestival überhaupt.
Mit Hilfe unserer Rubrik Blogs im Blick wollen wir euch auf einige interessante Fährten rund um die französiche Arthouse-Leistungsschau locken!

Eine führt uns nach Chicago, dort schreibt Filmkritik-Legende Roger Ebert für die Chicago Sun-Times in sein Webtagebuch. In diesem schwelgt Ebert in Erinnerungen und bekennt vor bereits 50 Jahren in Fellini’s „La Dolce Vita“ seinen „film of my lifetime“ gesehen zu haben. Schwingt in Eberts Liebeserklärung sicher Nostalgie mit, beleuchtet sein Sun-Times Kollege Jim Emerson in seinem Scanners::Blog das an sich gleiche Phänomen aus einer anderen Warte: In seinem Beitrag „It’s the End of the Cinema, as we know it (then and now)“ erinnert er an den Sommer 1981, in dem sich um Robert Redford herum eine Gruppe Filmemacher zusammenfand, die in der Folge für das Sundance Institute samt zugehörigem Festival verantwortlich war und noch (teilweise) heute ist. Sie prangerten den Missstand an, dass die Kino Landschaft von den großen Film-Studios dominiert wird, die den „specialized films“ (wie es dort so schön heißt), die Luft zum Atmen nehmen und so in immer weniger Städten der USA zu sehen waren.

Eben jene Filme sind mittlerweile in Cannes angekommen, wie nicht nur der britische The Independent feststellt, der fragt: „Has Cannes lost the plot?“ Eine feindliche Übernahme durch „Männer ohne Strumpfhosen“ wie Oliver Baumgarten seine Filmkritik zu Ridley Scotts „Robin Hood„, der Cannes (freilich außer Konkurrenz) eröffnen durfte, bei Schnitt.de überschreibt? Oder gar durch Gordon Gecko, das menschgewordene Seelenlose, das Oliver Stone in den 80er Jahren schuf?
Wahrscheinlich war eben diese Vermischung aus Filmkunst und Filmkommerz der Beweggrund für Regie-Ikone Jean-Luc Godard, eine Kurzversion seines Cannes Beitrags „Film Socialisme“ im Kurzschnelldurchlauf auf Youtube zu präsentieren. (weiter unten)

Ob die Entscheidung Godard mit seinem wohl letzten Cannes-Streifen im Nebenwettbewerb „Un Certain Regard“ unterzubringen, bei dem besondere Regieleistungen ausgezeichnet werden, nun als Selbstkritik der Cannes-Programmierer oder als deren Verneigung zu interpretieren ist, bleibt jedem selbst überlassen. Neben Godard treten in „Un Certain Regard“ übrigens auch zwei deutsche Filmemacher an: Der Münchner Christoph Hochhäusler mit „Unter dir die Stadt“ und Grimme Preisträger Oliver Schmitz mit „Life, Above All„. Godard selbst treibt sein Tun auf die Spitze und feiert seine Internetpremiere „„FILM SOCIALISME“ als Video on Demand, zeitgleich mit seiner Projektion in Cannes am 17. und 18. Mai auf dem Portal FILMOTV. Einen Tag später dann in Frankreich im Kino.“ wie Volker Pantenburg bei new filmkritik berichtet.

Ein Zeichen für den Sieg der Blockbuster-Massenproduktion über den cineastischen Feingeist? Mitnichten! Die Bedingungen für Arthouse-Filme werden schwieriger. Dennoch gilt wohl für ihn die gleiche Regel, die auch für Massenmedien gilt: Kein Medium verdrängt ein anderes aus dem Markt. Auch wenn es sich die Gordon Geckos (der aus den 80ern wohlgemerkt) der Branche wünschen sollten – Kino mit einem Anspruch, der nicht nur aus Monetarisierung besteht, wird es immer geben.
Denn nicht zuletzt die Filmfestivals kämpfen erfolgreich für dessen Erhalt. Sie werden zu Museen oder Aufbewahrungsorten für Kunst, wie Around The World in 14 Films-Chef Bernhard Karl treffend feststellte.

Denis Demmerle