Die Macher des Musik-Film-Marathons im Interview


Foto: Nikolaus Becker

Foto: Nikolaus Becker

Musik-Film-Marathon Berlin zeigt in seiner ersten Ausgabe vom 28. März bis 10. April im Filmtheater Die Kurbel knapp 40 Musikfilme aus 60 Jahren. Wir trafen uns mit den Organisatoren Helma Schleif und Andreas Malliaris zu einem kurzen Gespräch über Festivalorganisation und Filmauswahl.

Wie kam es zu der Idee ein Musikfilmfestival zu organisieren?
Helma Schleif: Seit Anfang der 80er Jahre beschäftige ich mich mit dem Thema Musik und Film oder Film und Musik. 1981 hatte ich einen Lehrauftrag am Institut für Theaterwissenschaften an der FU Berlin zum Thema „Jazz im Film – Jazz als Filmmusik“. 1985 gab es beim Internationalen Forum des Jungen Films einen Schwerpunkt mit Jazzfilmen, den ich betreute. Ich war ca. acht Jahre lang Filmredakteurin bei den Freunden der Deutschen Kinemathek, dem Kino Arsenal und dem Internationalen Forum des Jungen Films. In diesen Jahren habe ich stets auch Programme im Arsenal gemacht mit Live-Musik zu Stummfilmen oder Experimentalfilmen. Dabei handelte es sich immer um Improvisationsmusiker wie Evan Parker, Fred Van Hove, Phil Wachsmann oder Sven-Ake Johansson. Mit diesen Filmen und einigen Musikern ging ich auch auf Tournee. 2006 kuratierte ich, zusammen mit Ebba Jahn, das Projekt „Interplay! Berlin“. Das stets parallel zum JazzFest-Berlin stattfindende „Total Music Meeting“ (Internationales Künstlerfestival für Improvisierte Musik), das ich von 2000 bis 2008 leitete und das ab 2009 mangels Finanzierung vorläufig eingestellt werden mußte, zeigte in den letzten Jahren im Rahmen seines Programms verstärkt auch Musikfilme. Seit langer Zeit versuche ich nun, ein eigenständiges Musikfilmfestival in Berlin auf die Beine zu stellen. Ich habe zahlreiche Kontakte zu Filmemachern und Musikern, die das sehr unterstützen, habe aber lange keine Finanzierung finden können.

Wann habe sie mit der Planung begonnen, was war der Ausgangspunkt?

Andreas Malliaris: Nachdem die Finanzierung des Musik-Film-Marathon Mitte 2010 gesichert war, schlugen die Berliner Festspiele vor, das Musikfilmprogramm der Maerzmusik zeitlich mit unseren Veranstaltungen zu verbinden. Diese Ausarbeitung stand ab Oktober 2010 fest, so dass der Festivaltermin letztlich vorgezogen wurde. Direkt nach Maerzmusik zeigen wir nun über 40 künstlerisch herausragende Musikfilme aus 60 Jahren (1950 – 2010/11). Neben ausgewählten Klassikern des Musikfilms präsentieren wir zahlreiche Filme in Erstaufführung, vorgestellt von ihren RegisseurInnen.

Wie hat sich die Auswahl der Filme während der Organisation des Festivals entwickelt bzw. verändert?

Schleif: Ich könnte zwei Jahre lang täglich einen herausragenden Musikfilm zeigen, ohne je eine Wiederholung zu riskieren. Auf die Shortlist gelangten ausschließlich Filme, deren Bildsprache auf der Höhe der Musik war – beides, die filmsprachlichen Mittel und die musikalische Ebene mußten kongenial sein.

Welche Schwerpunkte haben sich herauskristalisiert?
Malliaris: Die Schwerpunkte waren von Anfang an klar: Herausragende Musikfilme quer durch alle Genres.

Sind sie bei der Filmsuche auf Arbeiten gestoßen, die Ihnen noch Unbekanntes offenbart haben?
Schleif: Unentwegt, das ist ja das Salz in der Suppe.

Foto: Nikolaus Becker

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Was ist das Spannende an der Festivalorganisation?
Malliaris: Andere auf das Festival aufmerksam zu machen und langfristig dafür zu begeistern, ob Presse, Kooperationspartner, Sponsoren und  natürlich die Besucher.
Schleif: Zu entdecken und zu gestalten. Positiv überrascht zu werden. Die Zusammenarbeit mit Filmschaffenden und Musikern, Kolleginnen und Kollegen.

War es schwierig alle Filme zu bekommen, die sie zeigen wollten?
Schleif: Die Zusammenarbeit mit den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ist suboptimal. Da könnte einiges verbessert werden, wenn die Anstalten ihre Archive nicht wie Profitcenter betreiben würden.

Das Festivalprogramm geht weit über das bloße Screening von Filmen hinaus. Es wird Filmgespräche, Panels und Workshops geben. Warum war es ihnen wichtig, nicht nur Filme zu zeigen?
Schleif: Filme sehen, Musik hören – das sind ja im Grunde Wahrnehmungsprozesse. Und die sind veränderbar. Also: Meine Überlegung, einen Workshop mit einem der hervorragendsten Vokalisten dieses Planeten anzubieten, war, das einerseits sehr viele der Filme mit der menschlichen Stimme zu tun haben, andererseits die praktische Arbeit an der Musik auch dazu führen kann, Sehgewohnheiten aufzubrechen und zu verändern. Und das Reden über die Inhalte und Produktionsbedingungen von Musikfilme heute kann die Optik und das Bewußtsein nur schärfen.

Eine kleine Empfehlung hätten wir noch gern, welcher Film hat sie am meisten bewegt? Was ist das Spezielle an ihm?
Schleif: Alle Filme sind speziell, sonst wären sie nicht im Programm. Gleichzeitig verstehe ich die Zusammenstellung dieses Programms nicht als bloße Aneinanderreihung von Filmen, sondern es handelt sich um eine Komposition mit einer ausgefeilten Dramaturgie. Der Eröffnungsfilm „The Passenger„, die Berliner Erstaufführung der verschollen geglaubten Auschwitzoper von Mieczyslaw Weinberg, die dieser 1967/68 schrieb, die aber erst letztes Jahr in Bregenz uraufgeführt wurde, gehört zu dem Bewegendsten, was ich in letzter Zeit gesehen habe. Ein großes Kunstwerk – wie seinerzeit Claude Lanzmanns Film „Shoah„.
Malliaris: Die Filmdokumentation über den überragenden Jazzmusiker Albert Ayler. Ayler kommt während des ganzen Films immer wieder selbst zu Wort. Seine Leiche wurde 1970 im New Yorker East River gefunden. Er war gerade einmal 34. Es wurde nie herausgefunden, ob es sich um einen Unfall, Mord oder Selbstmord handelte.

Fragen: Martin Daßinnies

Musik-Film-Marathon, 28. März bis 10. April, Die Kurbel (Giesebrechtstraße 4, Charlottenburg), www.musik-film-marathon.de