Provinziale 2011: Die Lebenswelt betreffend


Im Animationsfilm-Wettbewerb treffen naturgemäß sehr unterschiedliche Werke aufeinander. So fällt ein Vergleich von z.B. Franziska OttosHeimweg„, ein Kurzfilm, der mit Stop-Motion-Technik einen Poetry-Slam-Beitrag von Peh inszeniert, mit „A Lost and Found Box of Human Sensation“ schwer. Die im vergangenen Jahr bei interfilm mit dem Hauptpreis bedachte Hochglanz-Animation der Regisseure Martin Wallner und Stefan Leuchtenberg punktet nicht zuletzt mit Joseph Fiennes als Sprecher. Hier ein Trailer:

Beim Filmfest Eberswalde bestreiten Kurzspielfilme einen eigenen Wettbewerb. Damit sind in diesem Fall Filme gemeint, die bis zu 30 Minuten lang sind, also Streifen, die anderswo auch als so genannte mittellange Filme firmieren. Ein solcher ist „Narben im Beton“ von Regisseurin und Contravisions-Festival-Direktorin Juliane Engelmann, der seine Premiere im letzten Jahr auf der Berlinale feierte. Engelmann erzählt die Geschichte einer jungen Familie aus Sicht der erst 23-jährigen Anna, die aber schon Mutter dreier Kinder ist. Andere Sorgen plagen Familie Wölkel in „Der kleine Nazi“ (Petra Lüschow). Dort hat die Großmutter ein Weihnachtsfest wie zu dunklen Nazi-Zeiten vorbereitet und ausgerechnet an diesen besinnlichen Tagen erwartet die Familie einen jüdischen Gast.

Wie schon im Vorjahr ergänzt die Provinziale ihr Wettbewerbsprogramm klug um einige Sonderprogramme. So erweitert das Filmfest in diesem Jahr sein Kinder-Programm um einen Tag und entsende „Liebesgrüße aus der Provinz„, wie sich das Kurzfilmprogramm neben dem Wettbewerb nennt. Dort ist am Abschlusstag unter anderem „Gömböc“ zu sehen ist, der 2010 bei achtung berlin als Bester Kurzfilm prämiert wurde. Er folgt auf die brillante Fußballdoku „Das Leben ist kein Heimspiel“ von Rouven Rech und Frank Martin Pfeiffer, die mit ihrem intimen Blick hinter die Kulissen des Profi-Fußballs in der Hoffenheimer Provinz überzeugten und sogar bundesweit in den Kinos zu sehen waren. Mit dem Werk gewannen sie 2010 den Publikumspreis „Goldene 11“ beim Fußballfilmfestival 11mm. Darin dringt die Provinz dank des reichen Mäzens Dietmar Hopp in ein System ein, in dem es nicht vorgesehen und vielerorts auch nicht willkommen ist.

Gilt die Provinz samt ihrer Wertesysteme vielen als rückständig, ist dem Filmfest Eberswalde das exakte Gegenteil zu attestieren. Vorwärtsgewand stellt das Festival selbstreferentielle Fragen, die eigene Umgebung und Lebenswelt betreffend.

Denis Demmerle

8. Filmfest Eberswalde „Provinziale“ von 1. bis 8. Oktober 2011 im Paul-Wunderlich-Haus in Eberswalde, www.filmfest-eberswalde.de

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