Festivalbericht Kurzfilmfestival Oberschöneweide

Filmbalsam in Stakkato für die Seele


Das Band im Kurzfilm „Abend bei Freunden“ zwischen den Freunden Holger (Christoph Maria Herbst), Tobi (Johann von Bülow) und Pia (Nicole Marischka) reißt hingegen ab, da Tobi und Pia Kinder bekommen haben und Holger als Single dem trauten Familienleben nichts abgewinnen kann. So wird die Freundschaft der drei bei einem Besuch Holgers auf die Probe gestellt und transportiert so die interessante Frage, wie die heutige Gesellschaft mit dem Thema Kind und/oder Karriere umgeht und wie weit dies private und soziale Kontakte beeinflussen kann. Unter „Vaterlandsliebe“ leidet der um die dreißig Jahre alte Jens (Fabian Püschel), der als Nationalist einem Thilo Sarrazin in die Hände spielt und als moderner Deutscher selbstverständlich neben einem deutschen Schäferhund auch eine schwarzafrikanische Frau (Eve Wangui) an seiner Seite hat. „Diese Art von Frauen bringen ja noch das klassische Rollenverständnis mit, was mit den deutschen Frauen ja nicht mehr so sei“ bedauert Jens, der sich eine Pille zur Therapie für die Vaterlandsliebe wünscht: Ein sehr subtiles Spiel mit Klischees und eine zeitgemäße Warnung wider der schleichenden Zunahme rechtsgerichteter Gesinnung in Deutschland. Wohl einer der bewegendsten und kontroversesten Filme des ersten Abends und daher sicher zu Recht Tagesgewinner am Freitag. Der zweite Sieger des Volkers, der Trophäe des Festivals, ging am Samstag an „Der Mieter“ von Dave Lojek. Eine in Berlin lebende junge Studentin bemerkt mysteriöse Vorgänge in ihrer Wohnung und erwacht eines morgens neben einem jungen Mann, den sie allerdings nach flüsternden Worten seinerseits als neuen Mitbewohner ansieht und ihn nicht aus der Wohnung jagt.

Als erheiternder Abschluss am Samstag nervte „Felix“ an einer Supermarktkasse (nach einer wahren Begebenheit) durch Daueranstoßen seinen Vordermann mit seinem Einkaufswagen für Kinder. Unterstrichen durch die Kameraeinstellung nur auf Höhe des Halbwüchsigen und bis auf Hüfthöhe der Erwachsenen, lag der Fokus unweigerlich auf dem Jungen. Vergebliche Versuche der Mutter, Felix vom forschen Schieben gegen die Waden des wartenden Herrn vornan abzuhalten, schlagen fehl, bis der gepeinigte Herr sich und den Spieß umdreht, eine Milchtüte aufreißt und dem Balg über den Kopf schüttet. Die von der internen Kinojury gewählten Filme „Smoke“ und „Feast“ werden übrigens in den nächsten Wochen in den Sälen des Veranstaltungsortes im Kino in den Spreehöfen Oberschöneweide als Vorfilme gezeigt. Bleibt letztlich für den oberschweineöden Teil Berlins zu hoffen, dass nicht nur dieses „Gimmick“ sondern auch das Kurzfilmfestival Oberschöneweide Bestand haben werden, um die cineastische und kulturelle Vielfältigkeit der Stadt zu wahren.

S. Bruelke

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