Asian Hots Shots findet 2012 nicht statt

Ein Stück weniger Filmfestivalkultur


Die Filmemacher Ryuta Tanaka und Shintaro Miyazaki im Gespräch mit Zuschauern beim letztjährigen Asian Hot Shots Filmfestival.

Die Filmemacher Ryuta Tanaka und Shintaro Miyazaki im Gespräch mit Zuschauern beim letztjährigen Asian Hot Shots Filmfestival.

Man kann es sich als Zuschauer in seinem Kinosessel gemütlich machen und fest daran glauben, dass das, was einem dort auf der Leinwand präsentiert wird, schon irgendwie von irgendwem bezahlt worden ist. Es ist bezahlt worden. Garantiert! In vielen Fällen, gerade im Bereich der Filmfestivals, ist die Bezahlung allerdings häufig nur virtueller bzw. ideeler Natur. Geld spielt, im profitablen Sinn, viel seltener eine Rolle, als der Zuschauer das vom Kinosessel aus denken mag, denn die Einnahmen durch den Verkauf von Eintrittskarten sichern in keinster Weise das Bestehen eines Festivals. Viele Organisatoren und Festivalmacher stellt dies vor ein schwieriges Problem, wie nun das Team des Asian Hot Shots im Resümee feststellen muss. Die kommende Ausgabe wird es ganz einfach nicht mehr geben.

Ein kleiner Exkurs: Förderinstitutionen, wie etwa das Medienboard Berlin-Brandenburg oder der Haupststadtkulturfonds, haben im Bereich der Filmfestivalförderung häufig einen ziemlich großen blinden Fleck auf beiden Augen – wenn man das mal so verbildlichen darf. Das Medienboard konzentriert sich in seiner Arbeit auf die Finanzierung von Filmprojekten und das zumeist in einem Bereich, der die breite Masse an Kinogänger ins Auge fasst und dementsprechend gewinnorientiert arbeitet. Daran ist nun grundsätzlich nichts verkehrt. Man kann daran Gutes, wie Schlechtes finden. Filmprojekte aber, die sich in künstlerischen Fahrwassern bewegen, oder eben nicht auf ein gewinnbringendes Konzept hin ausgerichtet sind, haben es in diesem Förderkanon schwer. (Das Wort „unabhängig“ besitzt in diesem Fall einen zutiefst unangenehmen Beigeschmack.) Und wenn gefördert wird, sagt das immer noch nichts über einen Kinostart aus, der nicht selten ziemlich mager ausfällt. Am Kunst- und Independentkino verdient häufig niemand. Nicht weniger dramatisch als für den Filmschaffenden ist das für den Zuschauer:  Man erhält ganz einfach oft nicht einmal die Gelegenheit, bemerkenswerte Arbeiten im Kino zu sehen. Was meist bleibt sind kuratierte Filmreihen und Filmfestivals, die darum nicht nur in Berlin zunehmend an Bedeutung gewinnen. Und häufig mit ihren Konzepten sehr erfolgreich sind, beleuchten sie doch mitunter Filmländer und Genres, die dem Zuschauer im Kinosaal meist verborgen bleiben.

Die zweite große Institution dieser Stadt, der Haupststadtkulturfonds, fokussiert auf Veranstaltungen unterschiedlichster kultureller Ausprägung, die erstmalig in dieser Stadt stattfinden (sollen). Dieses Prinzip hilft oft auch den nicht institutionalisierten Projekten und Kulturschaffenden, stellt diese aber vor ein anderes großes Problem: Wie wird man in dieser Stadt zur Institution, wenn Fördergelder zwar beim ersten Mal fließen, aber niemand von öffentlicher Seite bereit ist, das Projekt auch im zweiten, dritten oder gar vierten Jahr zu unterstützen? Selbst so ein alteingesessenes Filmfestival wie das Jüdische Filmfestival Berlin und Brandenburg fand sich nach Jahren des Bestehens in so einer prekären Situation wieder.

Filmfestivals benötigen, wie jedes andere Kulturprojekt auch, vor allem zwei Dinge: Engagierte Macher und engagierte Unterstützer, die in ihnen auch das Potenzial erkennen. Sprich: Ihnen die notwendige und grundlegende Finanzierung gewähren. Ansonsten finden sie sich in einer Situation wieder, wie die Macher des Asian Hot Shots sie seit Jahren erleben: Ein Großteil aller Beteiligten arbeitet im ehrenamtlichen Bereich. Auf Dauer! Und auf Dauer ist ein Festival, das den Anspruch hegt, nicht nur Filme zu zeigen, sondern dem Publikum auch deren Macher vorzustellen – sprich Regisseure, Produzenten und Schauspieler einlädt – so eben nicht zu realisieren. Doch gerade dieser Aspekt macht ein Festival für den Zuschauer erst zu einem einmaligen Erlebnis. Filmemacher und Organisatoren stehen vor Ort im Austausch mit dem Zuschauer, der neben dem Film gerade durch die Gespräche einiges an Mehrwert aus dem Kino trägt. Einem Festival, das mit viel Ehrgeiz und Elan dem Auditorium ein Kino näher bringt, das er sonst nicht sehen würde, beim langsamen Sterben zu zu schauen, ist ein Graus. Beim Asian Hot Shots gehen jetzt erst einmal die Lichter aus. Und das ist, so kann man es ohne weiteres formulieren, eine Schande.

Martin Daßinnies

Weiter zum offenen Brief der Festivalmacher auf www.greenchilies.wordpress.com