Afrikamera 2012 im Kino Arsenal

Träume und Werbemittel


"Puzmi": In einem futuristischen Kenia beschließt eine junge Wissenschaftlerin, ihr abgeschottetes Stadtviertel zu verlassen, in dem es keine Natur mehr gibt. Foto: Afrikamera

"Puzmi": In einem futuristischen Kenia beschließt eine junge Wissenschaftlerin, ihr abgeschottetes Stadtviertel zu verlassen, in dem es keine Natur mehr gibt. Foto: Afrikamera

Man müsste das afrikanische Kino eigentlich aus seinen ästhetischen Verneinungen heraus definieren und davon sprechen, was ihre Filme im Abgleich mit den gängigen filmsprachlichen Konventionen alles nicht sind. Bilder und Töne, collagiert – an oder neben einander geordnet, sind vielmehr diskursiv aufeinander bezogen, wobei ein stetiger Austausch zwischen On und Off, Vorder- und Hintergrund geschieht. Da eine Verbreitung von Kunst in unserer Zeit und damit zugleich die große Erweiterung unseres künstlerischen Horizontes durch eine gewisse Oberflächlichkeit im Umgang erlaubt wird, muss als Buzzword mal wieder die Frau herhalten.

Die fünfte Ausgabe der Afrikamera richtet vom 13. bis 18. November unter dem Motto „African Women on and behind the screen“ ihren Fokus auf Kurz-, Spiel- und Dokumentarfilme von afrikanischen Drehbuchautorinnen, Produzentinnen und Regisseurinnen. Seitdem Feminismus zu einer Art Werbemittel wurde und als Durchlauferhitzer herhalten muss, wo alles andere versagt, ist es verführerisch, ihn auch für die Etablierung innerhalb der Kunst einzuspannen, und wenn nicht Werbung allein, dann in Verbindung mit einer Form des Kunsthandels, der eine weite und schnelle Verbreitung begünstigt.

Zu einem Hauch von Safari lädt die afrikanische Filmemacherin Angèle Diabang, um Jugendlichen aus Berlin-Wedding die afrikanische Community im Nordberliner Bezirk näher zu bringen. Dagegen werden die Lichtspiele durch Leila Kilanis Sur La Plance“ eröffnet. Der Streifen schildert den Alltag der beiden jungen Frauen Badia und Imane, die sich mit monotonen Fabrikjobs und Diebstählen über Wasser halten. Getrieben von einem unersättlichen Freiheitswillen wagen sie schließlich den Ausbruch aus ihrer engen Welt. Die afrikanische Welt zeigte sich in Bezug auf ihre politischen Institutionen eher unproduktiv. Die importierten Formen des Nationalismus und des Sozialismus sind überall gescheitert, und demokratische Regungen werden gewöhnlich schon im Keim erstickt. Selbstverständlich können solche pauschalen Feststellungen nur auf die Verfassung des Ganzen zielen. Sie sagen garnichts über die individuellen Fähigkeiten aus. Wer jedoch selbständige Gedanken äußert, bringt sich in vielen afrikanischen Ländern in Lebensgefahr. Deshalb leben nicht wenige Filmschaffende im Exil und deshalb fallen die Kurzfilme sehr düster aus. Nadia Rais´ „Ambouba“ darf seine Verabredung mit Meherzia und Beya nicht vergessen – vor 17 Uhr an einem Tag, an dem er keine Zeitorientierung hat außer einer Uhr, deren Zeiger sich schneller und schneller drehen. In „Pumzi“ von Wanuri Kahiu beschließt eine junge Wissenschaftlerin in einem futuristischen Kenia, ihr abgeschottetes Stadtviertel zu verlassen, in dem es keine Natur mehr gibt. Sie macht sich auf die Suche nach Spuren von Leben.

So geht es auch einer jungen schwarzen Frau in Pascale Obolos „La Femme Invisible„, die auf Filmplakaten Gesichter aus ihrer Gemeinschaft sucht. Diese Obsession in den Straßen von Paris macht sie verrückt, denn besonders bei den entwurzelten Migranten führt die Konfrontation mit der westlichen Zivilisation, unabhängig von ihrer ökonomischen Lage, zu einem dauerhaften Kulturschock. Der scheinbare Überfluss an Waren, Meinungen, sexuellen und  ökonomischen Optionen führt zum Double Bind von Abstoßung und Attraktion, und die pausenlose Erinnerung an den Rückstand der eigenen Zivilisation wird unerträglich. Diese schwierigen Filme werden diskursiv von den Regisseurinnen Nadia Rais aus Tunesien und Angèle Diabang aus dem Senegal und der Filmwissenschaftlerin Beti Ellerson aus den USA begleitet. Neben der Unterhaltung geht es also auch um politische Hintergründe und eine vertiefende Analyse der sozialen Verhältnisse. In Streiflichtern und Impressionen schreiben diese Filme die viel zu oft gehörte Geschichte eines Existenzkampfes fort.  Dabei ist der Erfolg durchaus zu gönnen. So geht wenigstens ein Traum in Erfüllung, den viele andere leider hoffnungslos weiterträumen müssen.

Joris J.

Afrikamera 13. bis 18. November 2012, Kino Arsenal, Porgramm unter www.afrikamera.de