Cinema Italia 2012 im Babylon Mitte

Jenseits der Schlagzeilen


"L'Industriale" zeigt das ehemals wirtschaftsstarke Turin in der Krise. Foto: Cinema Italia

"L'Industriale" zeigt das ehemals wirtschaftsstarke Turin in der Krise. Foto: Cinema Italia

Wenn Cinema Italia am 13.12. in Berlin eintrifft, hat das Festival eine wahre Ochsentour hinter sich: 29 Städte wurden in gut vier Monaten bereist. Tourneefinale also: 13. bis 19. Dezember in Berlin, Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz. Sechsmal italienisches Gegenwartskino – fast schon eine Rarität, ist das Italien der letzten Jahre doch nicht unbedingt ob seiner filmischen Leistungen präsent. Allein dafür gebührt den Machern wohl ein symbolischer Handschlag.

Eröffnet wird mit „Basilicata Coast to Coast“ (Rocco Papaleo, Italien 2010) – einem Roadmovie über vier Musiker aus der Region Basilicata im Süden Italiens, die unter dem klangvollen Namen „Die Windräder“ am Musikfestival Scanzano Jonico teilnehmen wollen. Spannungsmoment I: Nicola, Franco, Salvatore und Rocco gedenken die Reise zu Fuß zu bestreiten. Spannungsmoment II: Plötzlich ist eine junge Journalistin mit von der Partie. Und so zieht die Karawane durch Italien. Den Fokus auf Religion richtet „Corpo Celeste“ (Alice Rohrwacher, Italien 2011), der in Kalibrien zwischen antiken Palazzi und Bauruinen spielt. Hierhin zieht die dreizehnjährige Marta mitsamt Mutter und Schwester. Zentrum des städtischen Lebens ist noch immer die katholische Kirche, ein Pfarrer, der wie selbstverständlich die politischen Strippen in der Hand hält und nach Gutdünken zieht. Keine einfache Situation für die drei Frauen, verbrachte die Familie ihre letzten zehn Jahre doch in der Schweiz.

Im Zentrum von „Il Mio Domani“ (Marina Spada, Italien 2011) steht Monica, eine Frau, auf der Suche nach ihrer Identität. Als erfolgreiche Mailänder Geschäftsfrau führt sie ein scheinbar geradliniges Leben. Wäre da nicht Vittorio Corradi, Monicas Chef und gleichsam Geliebter. Zeitgleich zum Beziehungs-Showdown stirbt ebenfalls ihr Vater, ein wahnhaft religiöser Mann. Basisarbeit steht also an, die eigene Vergangenheit klären und noch nach neuen Wegen fahnden, um sich aus der emotionalen Notlage zu befreien. Von Krisen erzählt auch „La Nostra Vita“ (Daniele Luchetti, Italien 2010): Claudio De Rosa, Bauarbeiter und Vater zweier kleiner Söhne, verliert seine Frau bei der Geburt ihres dritten Kindes. Um die Familie finanziell über Wasser zu halten, beschließt Claudio fortan als Subunternehmer einer eigenen Baustelle zu agieren. Doch ganz so einfach ist das nicht…

Guiliano Montaldo portraitiert indessen das wirtschaftsstarke Norditalien in „L’Industriale“  (Italien 2012). Die Zeiten florierender Unternehmen sind jedoch spätestens seit der Finanzkrise auch hier dahin, in Turin, wo „L’Industriale“ angesiedelt ist. Die Stadt ist Wirkungsstätte des vierzigjährigen Nicola, ein Fabrikbesitzer, der unter Schulden und Forderungen der Bank zu ersticken droht. Der letzte Film von Cinema Italia kommt programmtisch mit einem Aufruf zur Entspannung daher: „Scialla!“ (Francesco Bruni, Italien 2011) – „Bleib locker!„. Das müssen zumindest alle, die mit dem pubertierende Luca zu tun haben. Dieser heizt nämlich gern und oft mit seinem Moped durch die Gassen Roms und fängt sich damit einigen Ärger ein. Richtig interessant wird es aber, als Bruno Beltrami, Lucas Nachhilfelehrer feststellt, dass dieser sein Sohn ist. Turbulenzen sind folglich nicht zu vermeiden. Da wären wir wieder bei Italien. Und dem reisenden Festival, dass es sich zur Aufgabe gemacht hat, andere, aber nicht minder relevante Facetten jenes Landes auf deutsche Leinwände zu projizieren.

Carolin Weidner

Cinema Italia! 13. bis 19. Dezember, Babylon Mitte, Programm unter www.cinema-italia.net