“Kultur:Stadt” in der Akademie der Künste

Stadtentwicklung anders denken


Detroit Soup: Monatliches Abendessen als Fundraising für Kreativprojekte. Foto: David Lewinski

Detroit Soup: Monatliches Abendessen als Fundraising für Kreativprojekte. Foto: David Lewinski

Hätten alle Beteiligten doch nur ein paar Tage länger gewartet, die Debatte um den Abriss/Einriss der East Side Gallery, sie wäre keine. Denn am 15. März eröffnet in der Akademie der Künste eine Ausstellung mit dem bezeichnenden Namen „Kultur:Stadt“, die aufzeigt, wie eng Architektur, öffentlicher Raum und soziale Wirklichkeit in Großstädten miteinander verknüpft sind.

Es steht nämlich außer Frage, dieser Mauerrest, der heute die Stadt in keiner Form mehr teilt, es gibt in ihm genügend Lücken, der Betrachter muss nur genau hinschauen, sie sind nicht zu übersehen, ist ein wichtiges Kulturgut dieser Stadt. Er ist Erinnerungsstück und erhaltene Geschichte, die bewahrt werden muss und nicht durch etwas plebeisches wie einen Zugang zu einer Brücke ersetzt werden darf. Er ist aber auch Zeugnis einer wachen Ausdrucksform im Hier und Jetzt: der Kunst im öffentlichen Raum. Einer Kunst, die frei und politisch ist, die selbst auf Geschichte referiert und vor allem: Für jedermann zugänglich ist. Diese entartete Mauer, die die Bürger zweier Staaten ein- wie ausschloss und ein Werkzeug der Unterdrückung und der Abgrenzung war, ist heute ein eindeutiger Nachweis für die Dringlichkeit von sichtbarer Kunst. Stadtplanung und Stadtgestaltung sind nicht denkbar ohne diese, darum ist die Kritik am Abriss, wie auch das Vorhaben sie zumindest partiell einzureißen, ein oberflächlich geführter Diskurs und eine müde Debatte um Verhältnis und Angemessenheit, an der die Politik, der Investor als auch die Aktivisten von „Mediaspree versenken“ gleichermaßen grandios scheitern.

Die nun vom Architekten und Hochschuldozenten Matthias Sauerbruch für die Akademie der Künste kuratierte Architekturausstellung „Kultur:Stadt“ durchleuchtet kritisch das Verhältnis zwischen Architektur und sozialer Wirklichkeit im 21. Jahrhundert und zeigt auf, wie Kunst und Kultur Stadt und Architektur prägen. Die Auswahl der internationalen Beispiele wie etwa das Kulturforum in Berlin, das Opernhaus in Sidney und das Guggenheim Museum in Bilboa aber auch die kreative Umnutzung leerstehender Bauten und Stadtareale bis hin zu Bürgerinitiativen eröffnet ein Panorama gebauter Konkretisierung von Kultur und erlaubt damit nicht nur eine Bestandsaufnahme, sondern gleichermaßen eine Bewertung und Einschätzung des jeweiligen Einzelfalls. Dabei werden essentielle Fragen formuliert: Gelingt die soziale, kulturelle und architektonische Verankerung in der Stadt und führt diese zu neuen Formen von kultureller Produktion? Oder stellt das Bauprojekt nur ein marketingstarkes Wahrzeichen dar, eine weitere Insel in einem von zunehmender Fragmentierung gekennzeichneten öffentlichen Stadtraum?

Die Ausstellung bietet seinen Besuchern über die physische Präsentation von Plänen und Modellen hinaus eine besondere Auseinandersetzung an: auf Tablet-Computern sind kommentierte Videotouren sowie vertiefende Hintergrund-Informationen einzusehen. Studierende der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) reisten überdies zu 15 der in der Ausstellung präsentierten Kulturbauten und drehten Kurzfilme, die die Funktion und Wirkungsweise der Architektur und des Gebäudes auf die Menschen vor Ort ergründen. Die Filme sind in der Ausstellung zu sehen, sie entstanden im Rahmen des Seminars „Architektur im Film“ unter der Leitung des Regisseurs Jan Schütte.

Martin Daßinnies

„Kultur:Stadt“ 15. März bis 26. Mai, Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, Eröffnung 15. März 19 Uhr, www.adk.de