Retrospektive: Denis Côté im Kino Arsenal

Trübes Prisma


In „Curling“ (Kanada 2010) sind es, ähnlich wie Vic und Flo, zwei Personen in äußerster Peripherie, Vater und Tochter, die sich in eisiger Winterlandschaft ein Leben herangezogen haben, dass für beide zur Sackgasse gerät. Düster und bunt zugleich dringt „Curling“ in die Welt von Jean-François (fantastisch: Emmanuel Bilodeau) und der 12-jährigen Julyvonne. Absurd-wundervolle Szenen wie das gemeinsame Hören von Stacey Qs „Two of Hearts“ im spärlich beleuchteten Wohnzimmer – aufgekratzter 80er Pop inmitten halbdunkler Sprachlosigkeit – wechseln mit Julyvonnes Wanderungen in den Wald, um sich dort neben ein paar Erfrorene zu legen und dem Tag davon zu träumen.

All That She Wants“ (Kanada 2008) stellt die junge Frau Coralie in den Vordergrund, die versucht aus den brutalen Zirkeln einer verrohten Männergemeinschaft zu flüchten. In seiner expressiven Farblosigkeit und starken Stilisierung ist „All That She Wants“ möglicherweise der direkteste Film Côtés, wenn gleich der am schwersten zugängliche. Ein Paria in merkwürdiger Gesellschaft ist auch Christian in „Drifting States“ (Kanada 2005), Côtés erstem Langfilm. Auf der Flucht vor seiner eigenen Vergangenheit strandet dieser in menschenarmer Ödnis am Rande der Zivilisation. Hier haust man in pappähnlichen Containern und bleibt eigentlich auch nicht länger als ein paar Jahre. Eine blutleere Insel mit geraden Straßenadern, die sich durch unbewohnte Gegenden rammen. Und mittendrin Christian, der fast zwanghaft nach Anschluss sucht.

Eine Sonderstellung im Programm ist „Bestiaire“ (Kanada/Frankreich 2012), ein Dokumentarfilm, der ganz ohne Mensch und Sprache auskommt und bereits auf der Berlinale 2012 zu sehen war. Dabei ist die Kamera auf die Tiere eines Erlebnis-Zoos gerichtet, beobachtet still und unaufgeregt die tägliche Monotonie seiner tierischen Bewohner. Ein Dasein, das sich möglicherweise gar nicht allzu sehr von Côtés menschlichen Protagonisten unterscheidet und dabei, jeder Tristesse zum Trotz, eine ganz eigenwillige Komik an den Tag legt. Das Geleit „No Comfort Zone“ aber bleibt präsent, in allen sieben Filmen. Ein Bereich, der nicht immer Spaß macht, in dem definitiv aber so einiges an Magischem passiert.

Carolin Weidner

„No Comfort Zone“ – Die Filme von Denis Côté, 12. bis 23. April, Kino Arsenal, Programm unter www.arsenal-berlin.de

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