KUKI: Interview mit Regisseur Bryn Chainey

Vom Grollen und Knarzen des Waldschrats


Er ist Brite, Australier und seit 2009 auch Berliner: Filmemacher Bryn Chainey fühlt sich in der deutschen Hauptstadt pudelwohl und begeistert mit seinen Kurzfilmen die Festivalszene. „Jonah and the Vicarious Nature of Homesickness“ bescherte ihm den Berlin Today Award auf der Berlinale 2010. Mit seinem neuen Kurzfilm „Moritz und der Waldschrat“ reist er derzeit zu Festivals quer durch Europa. Auf dem KUKI Festival läuft sein Märchen über einen Jungen, dessen Leben sich durch eine gruselige Begegnung im Wald schlagartig ändert, im Wettbewerbsprogramm. Wir haben mit dem 27-jährigen Wahlberliner über seltsame Waldkreaturen, die deutsche Sprache und Fantasy im Alltag gesprochen.

Bryn, dein Film „Moritz und der Waldschrat“ wurde gerade auf den Koblenzer Video/Film Tagen mit dem ersten Preis ausgezeichnet – Gratulation!
Danke. Es war spannend, aber auch ein bisschen seltsam, meinen Film auf einem deutschen Festival zu sehen, welches „das Beste aus der jungen deutschen Filmszene“ zeigt. Es war ja mein allererster Film auf Deutsch. Bei „Moritz und der Waldschrat“ war die ganze Crew, der ganze Film deutsch, bis auf mich.

Du bist seit 2009 in Berlin – war es jetzt an der Zeit, einen Film in deutscher Sprache zu produzieren?
Mein Deutsch ist mittlerweile gut genug, um im Alltag klarzukommen, aber für bedeutungsvolle Texte reicht es noch nicht aus. Obwohl ich das Drehbuch in meiner Muttersprache Englisch verfasst habe, war der Klang bestimmter deutscher Wörter wie „Knochen“, „Zähne“ und „Wurzeln“ von Anfang an in meinem Kopf. Die Figur des Waldschrats brauchte eine erdige Art der Sprache, einen Ur-Klang, wie ihn die deutsche Sprache hat. Außerdem ist Deutsch die Sprache der Märchen, ich bin mit den Geschichten der Gebrüder Grimm aufgewachsen. Das Knarzen und Grollen des Waldschrats wirkt in deutscher Sprache einfach viel stärker.

Was genau verstehst du unter einem Waldschrat?
Eigentlich hieß der Charakter erst „der grüne Mann“, eine sehr bekannte europäische Märchenfigur, die über Leben und Tod wacht. „Der grüne Mann“ ist allerdings ein ziemlich blöder Titel, das klingt nach Ampelmann oder Alien. Einem Freund fiel ihm das Wort „Waldschrat“ ein. Ein altes, nicht sehr gebräuchliches Wort, bei dem man aber gleich ein Bild vor Augen hat: Eine seltsame, sehr archaische Kreatur, ähnlich wie ein Goblin. Das passte gut zu meinem Märchen.

Was war zuerst da: die Figur des Waldschrats oder die Idee, über ein krankes Kind einen Film zu machen?
Der Waldschrat. Im Übrigen geht es bei der Geschichte eigentlich nicht um eine konkrete Krankheit, sondern um Verletzlichkeit und die Kraft, diese zu überwinden. Darum, die eigene Sterblichkeit und den Zerfall seines Körpers zu akzeptieren. Das ist ein spannendes Thema, denn im Leben von Kindern dreht sich doch alles um den Zerfall. Die Kindheit zerfällt um sie herum. Das zu akzeptieren, weiterzugehen und daran zu wachsen ist Teil des Erwachsenwerden.

Die zwei jungen Hauptdarsteller Kai Oliver Böhne (Moritz) und Ben Litwinschuh (Adam) hinterlassen bleibenden Eindruck. Wie hast du die beiden gefunden?
Ben Litwinschuh wollte ich von Anfang an haben. Ich hatte ihn in „Neuneinhalbs Abschied“ gesehen, ein Kurzfilm über einen Jungen, dessen Hamster stirbt. Er hat mich so begeistert, dass ich ihn zu einem Vorsprechen eingeladen habe. Und es war sofort klar: Er ist die perfekte Besetzung für Adam. Für die Rolle von Moritz haben wir ein großes Casting in Berlin und Umgebung durchgeführt. Kai war ein absoluter Glücksgriff.

1 2 3