Interview mit Berlinale Fotograf Gerhard Kassner

"Ich würde nie sagen: Mal die Brille runter"


Die Coen-Brüder stellten Kassner vor eine besondere Herausforderung. (c) DDemmerle

Die Coen-Brüder stellten Kassner vor eine besondere Herausforderung. (c) DDemmerle

Hatten Sie den Eindruck, die Coens kokettieren mit der Situation?
Der Rote Teppich und der Foto-Call gehören sicherlich zum Spiel dazu. Dass sie dann ein wenig kokettierten kann schon sein, vielleicht sind sie mit den Gepflogenheiten des Festivals auch nicht so vertraut. Die beiden waren für mich etwas besonderes, da sie uns Filmgängern so viele besondere Momente beschert haben. Wobei mich „Inside Llewyn Davis“ nicht so begeisterte. Mit diesem Musiker und dieser Trostlosigkeit konnte ich nicht viel anfangen.

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Sie haben die Coens zu „True Grit“ in einer Reihe mit Jeff Bridges portraitiert, der ein wenig grimmig wirkt…
Mit ihm war es total gut. Bridges fotografiert selbst und auch sehr gut. Bei den Dreharbeiten arbeitet er seit Jahren sehr konzeptionell mit einer Panoramakamera und beschenkt anschließend das Team mit seinen Bildern. Er war sehr interessiert. Ich finde sein Portrait eher markant.

Bei Ihren Werken der letzten Jahre fällt Regisseur Wong Kar-Wai auf, der die Berlinale letztes Jahr mit „The Grandmaster“ eröffnete, der auf dem Bild seine Sonnenbrille trägt…
Ich fand das auch ungewöhnlich, aber typisch. Bei der Vorbereitung fiel mir aber auf, dass es keine Bilder von ihm ohne Sonnenbrille gibt. Man guckt durch die Brille ein wenig durch, nicht so wie bei Karl Lagerfeld. Über Lagerfeld habe ich eine Doku gesehen, in der man ihn ohne Brille sieht und fand das toll. Ich würde mir bei ihm ein Portrait ohne Brille wünschen, aber er würde das nicht zulassen. Bei Wong Kar-Wai war das auch so. Er stilisiert sich wie eine Figur. Da würde ich nie sagen: Mal die Brille runter. Bei Jack Nicholson fand ich das auch passend, zu seiner Lederjacke und seinem so typischen Jack Nicholson-Grinsen.
Er war so unmittelbar, wie er ist. In einer Portraitsitzung würde ich andere Variationen erarbeiten. Man spürt in diesem Eigensinn, wie die ihr Bild haben wollen. Mir ist die Kombination des Teams wichtig, wie die an der Wand hängen. Darin liegt die Spannung. Die Coens und ihr Team von „True Grit“ sind da ein Highlight.

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Gibt es Kollegen, deren Arbeit Sie bewundern?
Irving Penn hat mich grundlegend inspiriert. Ihm gelingt es mit geringem Aufwand, Klarheit im Licht und mit seinem Bildaufbau einen Rahmen zu setzen, in dem die Person darin präsent ist und ein eigenes Wirkungsfeld hat. Das ist auch Teil meines Berlinale-Konzepts. Die Menschen sein zu lassen, wie sie sind – im Rahmen, den ich vorgebe. Ich suche Präsenz. Die Form und die Haltung spielen dabei eine Rolle. Mit wenigen Bildern die Person sein zu lassen und dem einen Rahmen zu geben, gelingt Irving mit diesen Persönlichkeiten der 60er- und 70er-Jahre. Diesen Moment, in dem sich die Menschen gerade befinden, den belässt er sehr stark.
Das bekomme ich auch oft zu hören. Die würden aussehen, wie aus dem Leben gegriffen, als würden sie einem gegenüber stehen. Das betrifft sicher auch die Größe, die Dimension der Fotos. So nah, wie ich die auf den Fotos einfange, kann man niemand gegenüberstehen.
Den Rahmen, den er gibt, mit Rahmen, Licht und Kamera, das hat mich sehr inspiriert. Das ist nicht spektakulär und auch nicht stark inszeniert, wie ich das häufig bei anderen sehe. Das ist vielleicht in einem Magazin-Portrait spannend, aber bei dieser seriellen Geschichte nicht so. Es ist ein visuelles Gästebuch.

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Ist ein Ende Ihrer Tätigkeit für die Berlinale in Sicht?
Nun gut, Dieter Kosslick hat einen Vertrag bis 2016, den er vielleicht auch wieder verlängert, da ich ihn sehr fit erlebe. Er ist ein treuer Mensch. Ich bekomme immer einen Vertrag von Jahr zu Jahr. Im Festival gibt es andere Dinge zu regeln, als den Fotografen zu wechseln.

Wie gehen Kollegen mit Ihnen um?
Ich bin mit vielen Kollegen eng befreundet. Da ist eine Bewunderung, aber kein Neid. Ich habe lange darauf hin gearbeitet. Portrait war mir immer wichtig. Wenn du die Chance bekommst, ist es toll. Die Berlinale ist für mich ein Highlight im Jahr. Super, dass das nicht nur eine Berlinale lang andauerte und sich nun so fortsetzt. Eine wunderschöne Kontinuität in meinem Leben. Jemand der im Portraitbereich arbeitet, denkt sich sicherlich, dass er das auch gerne machen möchte oder auch anders machen würde. Aber das Jahr hat weitere 355 Tage, die ich anders verbringe.

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