Zurückgespult #14: „Under the Skin“ mobilisiert Kino-Fans

Erst bunkern, dann verscherbeln



Warum das? „Der Film ist weder typischer Mainstream, noch typisches Arthaus„, erklärte das Unternehmen gegenüber FOCUS-Online. Ach so, naja, wenn das so ist, natürlich lieber nicht. Eine geeignete Vermarktungsstrategie wäre doch zu kostspielig heißt es weiter – im sechsstelligen Bereich siedelt das Unternehmen eine PR-Kampagne für den Film an. Auf die Idee, sich den im Netz bereits vorhandenen Hype um das skurrile Filmchen zu Eigen zu machen, kam man dann doch nicht. Digitale Vermarktungsstrategien hin und her.

Ganz im Gegensatz zu Großbritannien, wo man auf der Online-Kleinanzeigen-Seite „Craigslist“ im Dating-Bereich ein Single-Profil für den Film einrichtete. Schon mal was von Guerilla-Werbung im Internet gehört? Viral Marketing statt Trailer im Kino? Bei Senator ist man offenbar mit den neu formulierten Zielen überfordert und entscheidet sich im Zweifel für die DVD-Auswertung ohne vorherigen Kinostart. Obwohl: Irgendwie zieht es den Verleih dann doch ins digitale #Neuland: Die Fans des Films sollen nun per Online-Voting den Film in ein Kino vor Ort voten, ein Verfahren, was sich Cinema-on-Demand nennt und bislang in Deutschland nur mäßige Erfolge erzielte, auch, weil erst wenige Kinos in Deutschland mitmachen. Dass mit dieser Beruhigungsspritze für aufgebrachte Cineasten eher die viermonatige DVD-Sperrfrist umgangen werden soll, als einen Schritt in Richtung alternative Vermarktungsstrategien zu tun, ist anzunehmen.

Weiterlesen: Zurückgespult #10: Cinema-On-Demand

UnderTheSkin_FB_ScreenieImmerhin regt sich nun nach dem Hin und Her um den Kinostart von „Under the Skin“ Protest im Netz: Die engagierte Facebook-Gruppe „Under the Skin im deutschen Kino, jetzt“ berichtet ausführlich über den Umgang mit dem Film, vor allem aus Empörung über das Schwarz-Weiß-Denken bei Senator in puncto Mainstream und Arthouse. Auch der – höchstens aus Unternehmersicht geschickte – Schachzug, erst die Rechte an einem Film zu erwerben, um ihn dann am Kino-Zuschauer vorbei zu schmuggeln, wird von den Usern auf das Schärfste kritisiert. Die Seite verzeichnet nach einem einmonatigen Bestehen immerhin 734 Likes, ob sich so allerdings ein Kinostart erzwingen lässt, ist fraglich. Die Betreiber der Facebook-Gruppe vermuten übrigens, dass es in Sachen Verzögerungstaktik nicht beim Einzelbeispiel „Under the Skin“ bleiben wird: „The Rover„, ebenfalls ein beklemmender Science-Fiction mit Guy Pearce und Robert Pattinson, feierte soeben seine Weltpremiere in Cannes und kommt demnächst in vielen europäischen Ländern ins Kino. Überall, außer in Deutschland, wo Senator wieder erst einmal abwartet will, wie sich das Ganze entwickelt.

Erst bunkern, dann risikoarm verscherbeln – für ein finanziell angeschlagenes Unternehmen mag das eine verständliche Übergangslösung zu sein, um den Status quo zumindest zu halten und nicht noch mehr rote Zahlen zu schreiben. Für einen Kinoverleih, der sich auf die Fahnen schreibt, die Filmkultur eines Landes mitzugestalten und außerdem das Netz in seine PR-Abteilung holen möchte, dürfte es wohl kaum eine dauerhafte Strategie sein. Übrigens listet das amerikanische Internet-Magazin Indiewire „Under the Skin“ jetzt auf Platz zehn der erfolgreichsten Indies des Jahres 2014. Ja, hätte man das bei Senator vor vier Wochen gewusst, säßen wir jetzt schon im Kino und würden Scarlett als Alien bewundern.

Text: Cosima M. Grohmann

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