Interview mit Julia Kuniß, der künstlerischen Direktorin der Russischen Filmwoche in Berlin

Das junge russische Kino ist wie ein Seismograph


Julia Kuniß

Julia Kuniß

Vor Beginn der 11. Russischen Filmwoche in Berlin haben wir Julia Kuniß, der künstlerischen Direktorin des Festivals einige Fragen zum Programm gestellt und sie gebeten, als Initiatorin und Leiterin der Nachwuchsförderprogramme des Festivals speziell auf die Situation des Filmnachwuchses einzugehen…

Die Russische Filmwoche eröffnet 2015 mit „Schlacht um Sewastopol“ von Sergej Mokritzkij, einem Kriegsdrama. Was zeichnet den Film aus?
Julia Kuniß:
Das beeindruckende Kriegsdrama von Sergej Mokritzkij ist wohl am meisten diskutierte und zugleich einer der erfolgreichsten Filmen des Jahre in Russland und in der Ukraine. Er entstand als russisch-ukrainische Koproduktion. im Zentrum des Films steht das bewegte Leben einer einzigartigen Frau. Nach der Ausbildung zur Scharfschützin kämpft sie an der Front, findet und verliert dort ihre große Liebe, wird schwer verletzt, avanciert zum Liebling der amerikanischen Presse und freundet sich letztlich mit der First Lady Eleanor Roosevelt an. Die titelgebende „Schlacht um Sewastopol“ steht dabei weniger im Mittelpunkt und bildet die historische Kulisse. Die Geschichte ist betont ausgewogen und wertfrei erzählt. Wer hier ein patriotistisches Loblied oder einen herkömmlichen Kriegsfilm erwartet, wird enttäuscht sein – so viel sei vorab gesagt. Der Streifen bewegt zutiefst durch seine etwas andere Perspektive auf die Kriegsjahre.

Wie steht er für das russische Kinojahr?
70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind historische Sujets derzeit ein wichtiges Thema im russischen Film, was sich durchaus in der Auswahl des diesjährigen Programms der Russischen Filmwoche widerspiegelt.

Das russische Kino fällt in den letzten Jahren bei den internationalen Filmfesten sehr positiv auf und wird regelmäßig mit Preisen bedacht. Gibt es ein Erfolgsgeheimnis?
Das ist mehr oder weniger ein Dauerzustand, denn über die Festivalerfolge hinaus, hat es der russische Film international sehr schwer. In Kinos ist er kaum zu sehen, wie übrigens auch Filme aus anderen Ländern des ehemaligen „Ostblocks“. Festival ist immer gleich Arthouse und Arthouse im Allgemeinen wiederum hat es immer schwerer in der aktuellen Filmverleihsituation. Im Moment sind die einzigen Möglichkeiten, aktuelle russische Filme in Deutschland auf die Leinwand zu bringen kultureller Austausch und Festivals wie unseres. Wir sorgen dafür, dass unser Programm nicht nur Arthouse-Filme zeigt, sondern auch Publikumshits, die sonst überhaupt keine Chance haben, den deutschen Zuschauer zu erreichen. Die Vielfalt und ausgewogenes Programm ist uns sehr wichtig

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