32. interfilm: FOCUS ON: CHINA

(Kurz-)Filmland China: Kurzfilme, die eine pessimistische Bilanz ausstellen



Wolkenkratzerdystopien und Sozialkritik

Das Leben in den Großstädten, aber auch die gegenwärtige chinesische Arbeitswelt scheint den Menschen einiges abzuverlangen und nicht selten gerät das Bestreiten des Lebensunterhalts zu einem Kampf ums Überleben. Diesen Umstand verarbeitete Juanma Su mit einer großen Prise schwarzem Humor in dem Animationsfilm „Theory of Evolution„, einer bitterbösen Tierfabel über das ganz sprichwörtliche „Fressen und Gefressen Werden“ im chinesischen Büroalltag.
Anhand alptraumhafter Bildcollagen und dystopischer Metaphern setzten sich auch zahlreiche Filme des Animationsfilmprogramms sehr kreativ mit der durchaus sehr kritisch diskutierten Frage auseinander: Arbeiten wir, um zu leben oder leben wir, um zu arbeiten?
Der Stop-Motion-Kurzfilm „The Untold & Unseen“ von Regisseur Ho Tak Lam, versuchte genau auf diese Frage eine Antwort zu geben: Eine kleine rote Knetwachsfigur bricht aus ihrem grauen Büroalltag und dem immer gleichen Rhythmus des Pendelns, Arbeitens und Schlafens aus und findet einen vermeintlichen Ausweg aus diesem System.

Die gegenwärtige Lage des Individuums inmitten eines autoritären Systems und angesichts eines relativ entfesselten Kapitalismus, der der vor allem auf Profitmaximierung um jeden Preis bedacht ist, und einer explodierenden Bevölkerung in der gerade Einzelpersonen nicht viel zählen ist prekär. Um so erstaunlicher, dass die Filmemacherinnen und Filmemacher hier so klare Bilder und Worte finden, um dieses System so offen und kreativ zu kritisieren. Dieser kreative Ausstoß ist dabei sicher auch der Tatsache geschuldet, dass es in China aktuell wohl keine gültigen Zensurregelungen für Kurzfilme gibt – diese fallen schlichtweg aus dem Raster und erlauben den Filmschaffenden so eine gewisse künstlerische und auch thematische Freiheit, die anderen kreativ Arbeitenden verwehrt bleibt. Was aber angesichts der schwierigen Finanzierungs- und Vertriebsmöglichkeiten sowie der großen Zahl der Studierenden und Absolvierenden im Bereich (Animations-)Film auch zu einem harten Konkurrenzkampf und zum Teil sehr schwierigen Arbeits- und Produktionsbedingungen führt.
Ein Umstand, den Yanping Xue mit seinem dokumentarischen Animationsfilm „Chinese Animation Education – Silent Within Noise“ offen anprangert. Yanping Xue ist selbst Professor für Animation an der legendären Communication University of China in Peking – er weiß also, wovon er spricht. Der Film verpackt jede Menge Informationen über die stetig steigenden Studierendenzahlen sowie die anschließend eher ernüchternden Beschäftigungs- und hohen Arbeitslosenzahlen unter den Absolventen.
Gerade die 3D-Animation erfreut sich an chinesischen Universitäten großer Beliebtheit und viele Studierenden erhoffen sich, später einen der begehrten Jobs in der Werbung zu ergattern. Künstlerischer Anspruch und handwerkliches Können bleiben dabei auf der Strecke. Um die Massen an Studierenden abzufertigen wird auch auf Seiten der Lehrenden zunehmend Wert auf Quantität statt auf Qualität gelegt und so verlassen jährlich massenweise schlecht ausgebildete junge Menschen die Universitäten mit einem Diplom in der Tasche mit dem die chinesische Industrie aktuell jedoch nicht viel anfangen kann.
Der Film vermischt zahlreiche Zeichen- und Animationsstile, mutet teilweise an, wie eine mit dem Bleistift gezeichnete alptraumhafte Vision Entenhausens, dann aber auch auch wie ein opulentes, farbenfrohes Musikvideo, wobei aber auch Interviews mit zahlreichen Studierenden, Lehrenden und Illustratoren integriert werden. Unterlegt wird der Film von einem elektropoppigen Hiphop-Soundtrack.
Der Film ist Teil eines mehrjährigen Projekts des Professors zur kritischen Bestandsaufnahme des Animationsfilms in China, hier gibt es einen kleinen filmischen Einblick dazu.

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