Black Movie 2021: Die Welt zu Gast in Genf


Mehrere Titel, die im Programm der Berlinale von 2020 vertreten waren, fanden den Weg auch zum Black Movie. Zu erwähnen ist dabei das suggestive Drama MAMA, MAMA, MAMA aus Argentinien von Sol Berruezo Pichon-Rivière, in dem eine Mutter mit dem plötzlichen Unfalltod eines ihrer Kinder umgehen muss und von der Trauer wie von einem schwarzen Mantel eingehüllt wird. Auch von Familienleben erzählt der Dokumentarfilm THE EARTH IS BLUE AS AN ORANGE von Iryna Tsilyk, der in der Generation-Sektion lief, nachdem er beim Sundance-Filmfestivals besten Dokumentafilm prämiert wurde. Die Mutter in diesem Mutter muss mit dem Krieg als Bedrohung für ihre Kinder umgehen und ebenfalls für deren Schutz ihre ganzen Kräfte mobilisieren.

Weiterlesen: Unsere Kritik zu THE WOMAN WHO RAN von Hong Sang-soo.

Gleich zwei asiatische Filme aus dem Berlinale-Wettbewerb hat das Festival in sein Programm aufgenommen. Zum einen THE WOMAN WHO RAN von Hong Sang-soo, der den Preis für die beste Regie gewann und durch seinen trockenen, präzisen Humor besticht. Zum anderen eines der Meisterwerke der letztjährigen Ausgabe, DAYS von Tsai Ming-Liang. Dass damals der Film des Taiwanesen in Bezug auf Preis leer ausging, lässt sich nicht rechtfertigen. Poetisch, gewagt und selbstbewusst fordert der Film den Zuschauer, belohnt aber jeden, der sich auf ihn einlässt mit einem unvergesslichen emotionalen Seherlebnis.

Auf gleichem Niveau spielten zwei weitere asiatische Produktionen. ULBOLSYN von Adilkhan Yerzhanov spielt in Kasachstan. Hier konfrontiert der Autor städtisches Gedankengut mit ländlichen Traditionen. Ulbolsyn, die in der Hauptstadt des Landes lebt und dort als Werbemodel arbeitet, kommt ins heimatliche Dorf, um ihre jüngere Schwester abzuholen und sie mit sich zu nehmen. Sie soll frei sein und das kann sie, so glaubt Ulbolsyn, nur in der Stadt. Doch ihre Mutter und das ganze Dorf haben andere Pläne. Ulbolsyns Schwester soll heiraten und der Familie dadurch zu Wohlstand bringen. Ulbolsyn setzt alle Hebel in Bewegung um die Heirat mit dem viel älteren Mann zu verhindern, doch einer nach dem anderen geben ihre anfänglichen Verbündeten nach, so dass sie sich nur noch selbst helfen muss. Yerzhanov erzählt mit viel trockenem und absurdem Humor von traditionellen Rollenmustern und von alten Traditionen, aber auch von Korruption, materialistischen Wertvorstellungen und Neid. Dicht erzählt und souverän eingefangen zeichnet sich der Film zusätzlich mit Bildern aus, in denen kräftige Farben vorherrschen. Er bringt einem darüber hinaus einen Kulturkreis nahe, der so oft im Film nicht repräsentiert wird.

Eine weitere Entdeckung war der Erstlingsfilm GULL der jungen Koreanerin Kim Mi-jo. Sie hat als Protagonistin eine mittelaltrige Frau, die einen Lebensmittelladen auf dem Markt betreibt und damit ihre vierköpfige Familie mit zwei erwachsenen Töchtern finanziert. Eines Abends wird sie von einem Kollegen vergewaltigt. Sie erzählt lange niemandem davon. Sie will auch keine große Sache daraus machen, doch der Täter soll sich bei ihr entschuldigen. Der sieht es aber nicht ein und auch sein Umfeld spielt den Vorfall herunter. Selbst die eine Tochter, der sich die Frau irgendwann anvertraut, wirft ihr im Frust vor, sie hätte nicht so viel Alkohol trinken soll, dann wäre auch nichts geschehen. Mit reduzierten Mitteln, immer eine gewisse Distanz wahrend, trifft der ohnmächtige, aber trotzdem hartnäckige Kampf der Protagonistin, die für ihr Recht einsteht, den Zuschauer ganz tief in der Magengrube und hinterlässt einen bitteren Geschmack. Hervorragend gespielt ist das Drama eine Studie über traditionelle Geschlechterrollen und gesellschaftliche Strukturen, die von mangelnder Zivilcourage, Unterwürfigkeit und Egoismus zeugen. Kim inszeniert souverän und trotz der Härte des Themas mit einem erstaunlichen Sinn für Humor einen prekären, fragilen Zustand geprägt von allgemeiner Peinlichkeit, Schuldgefühlen und Zorn.

Teresa Vena

Black Movie, fand vom 22. bis 31. Januar 2021 statt.

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