„Bis dass die Nacht uns scheidet“ von Boris Chlebnikow


Der Kellner lauscht dem Gespäch der Oligarchen. Foto: Russische Filmwoche Berlin

Der Kellner lauscht dem Gespäch der Oligarchen. Foto: Russische Filmwoche Berlin

Heimlicher Star der Russischen Filmwoche

Neureiche Russen sind längst kein rein innerrussisches Phänomen mehr. Ob in der Türkei, in den alpinen Skigebieten oder auf den einschlägigen spanischen Urlaubsinseln, die russischen Superreichen haben ihren zweifelhaften Ruf mittlerweile in ganz Europa gefestigt. Einfache Ex-Sowjetbürger, die mit viel Energie und wenig Manieren in kürzester Zeit Industrieimperien errichteten, Menschen die Anfang der Neunziger am Rande eines wenig funktionierenden Gesetzes agierten und sich die Filetstücke des zerfallenden sowjetischen Megastaaten zum Spottpreis sichern konnten. So wurde Moskau zur Welthauptstadt des überschwänglichen Luxus, Objekt ironisch-ungläubiger westlicher Medienberichterstattung. Doch auch an der russischen Kunst ging das Phänomen der Superreichen nicht spurlos vorüber. Regisseur Boris Chlebnikow ließ sich inspirieren und hat nun mit „Bis dass die Nacht uns scheidet“ den geheimen Star der Russische Filmwoche Berlin vorgelegt. Die bitterböse Satire hinterließ ein ebenso belustigtes wie begeistertes Publikum.

Dabei ist nicht nur die Länge (65 Minuten), sondern auch der inhaltliche Aufbau des Films eher ungewöhnlich. „Bis dass die Nacht uns scheidet“ ist eine Mischung aus Kammerspiel und Episodenfilm. Die gesamte Handlung spielt an einem einzelnen Abend in einem Moskauer Luxusrestaurant. Boris Chlebnikow verfolgt dort Gespräche und Ereignisse. Einer Konferenzschaltung ähnlich, wechselt er ständig zwischen den vielen Geschichten, die ein gut gefülltes Restaurant zu erzählen hat. Gemeinsam mit dem Zuschauer wandert er von Tisch zu Tisch und bis in die Küche oder den Umkleideraum der Angestellten. Der eigentlich im Dokumentarfilm beheimatete Chlebnikow bleibt seinem Stil also auch als Spielfilm-Regisseur treu. Und so tauchen wir in die zynische Welt der russischen Oberschicht ein. Ein Millionär, der seine zickige Frau samt Kindern zum Teufel schickt, ein Mafioso, der zwischen Kaviar und Schampus per Telefon Mord- und Totschlag anordnet, zwei reiche Gören, die vor dem Restaurantbesuch offensichtlich einen Joint zu viel geraucht haben oder junge Möchtegern-Künstler, die sich in pseudophilosophischen Diskussionen verlieren. Abwechslung bietet Chlebnikow mit einem Blick hinter die Kulissen: in eine Küche voller illegaler Einwanderer und auf einen Chefkoch, der das berühmte „Russkij Mat“, die russische Kunst des Fluchens, aus dem Effeff beherrscht. Verbindendes Element aller Episoden sind die beiden liebeskranken Kellner des Restaurants – einer beging den Fehler, sich in eine verheiratete Frau zu verlieben, der andere den, zu heiraten.

Bemerkenswert ist – neben dem feinen Humor, der den Film wie ein roter Faden durchzieht – die Tatsache, dass die Charaktere bei aller Satire nie zu schablonenhaften Klischees oder überzogen unrealistischen Karikaturen verkommen. Wie Boris Chlebnikow dies gelang, erklärte der angereiste Darsteller Alexandr Jazenko dem verdutzten Publikum im Filmtheater am Friedrichshain: „Bis dass die Nacht uns scheidet“ basiert auf der Recherche eines Journalisten, der tatsächlich Gespräche in einem Moskauer Luxusrestaurant belauscht hat. Viele Dialoge wurden Eins zu Eins übernommen. Kaum zu glauben, aber die Realität ist eben noch immer die bissigste aller Satiren.

Peter Correll