„Hannah Arendt“ von Margarethe von Trotta


Margarette von Totta setzt Hannah Arendt rauchend und aus dem Fenster schauend in Szene. Foto: Heimatfilm

Margarethe von Totta setzt Hannah Arendt rauchend und aus dem Fenster schauend in Szene. Foto: Heimatfilm

Ein undankbares Genre

Das Biopic ist ein undankbares Genre – und formal sicher eines der konventionellsten. Kaum eine andere Sorte Film ordnet sein Thema der Form rigoroser unter. Die filmische Dramaturgie zwingt das Leben in seiner Komplexität notwendigerweise in die symbolische Ordnung einer Initiationsgeschichte, die sich an markanten Schlüsselerlebnissen entlang erzählt. Recht oft muss das Biopic dafür herhalten, persönliche Eitelkeiten zu befriedigen. Doch kann man sich bei näherer Betrachtung des Eindrucks nicht erwehren, dass stets die immer gleiche Melodie nur unter anderen Titeln variiert wird: eine Historisierung, die sentimental auf den „Tod des Subjekts“ (Foucault) vorbereitet. Margarethe von Trotta verfolgt in ihrer Variation des Themas  mit ihrer Figuren- und Konfliktkonstellation die Rückkehr zu einer entsprechend exaltierten Filmgrammatik und schnell rennen ihre Zeichen wie trunken in die Irre. Dabei wird Hannah Arendt im gleichnamigen Film von Barbara Sukowa verkörpert, die bereits Rosa Luxemburg und Hildegard von Bingen spielte. Andererseits ist ein Künstlerleben ja selber schon ein Film. Hannah Arendt wurde am 14.10.1906 in Linden (heute Stadtteil von Hannover) geboren. Mit 14 Jahren verließ sie die Schule, las Kants „Kritik der reinen Vernunft“ und besuchte ohne formalen Schulabschluss Vorlesungen zur christlichen Theologie. Außerdem begegnete sie literarisch Kierkegaard. Später studierte sie bei Edmund Husserl und Martin Heidegger. 1937 wurde sie in Nazi-Deutschland ausgebürgert, 1941 erreichte sie über Lissabon New York. Zehn Jahre später wurde sie amerikanische Staatsbürgerin.

Im akademischen Bereich wurde sie durch ihre „Vita Acitva“ und die Studie „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ bekannt. 1961 berichtete sie im Auftrag des „New Yorkers“ über den Eichmann-Prozess. Ihre Berichterstattung wurde teilweise heftig attackiert. Insbesondere der berühmte Ausdruck „Banalität des Bösen“ wurde in Bezug auf einen Massenmörder von diversen Seiten kritisiert. Nicht selten wurde ihr vorgehalten, es sei völlig unangebracht, arrogant und für die Opfer demütigend, wenn sie Eichmann „komisch“ oder einen „Hanswurst“ nenne, der ohne Motiv lediglich im Sinne seines persönlichen Aufstiegs handelte und im Prozess nur mit leeren Phrasen aufwarten konnte. 14 Jahre später verstarb sie in New York. Es gab kein Alterswerk und keine tiefen Brüche. Trotz des Auftretens des Totalitarismus ist ihr Werk in sich geschlossen.

So bleibt die geistergeschichtliche Bereicherung von Kants „radikal Bösen“ durch ihre „Banalität des Bösen“ im Besonderen und die Erinnerung an eine couragierte Frau im Allgemeinen. Leider mündet die Erinnerung allzu oft im Kitschigen. Die Widersprüche von Hannah Arendt werden in ihrer filmischen Biografie nicht nur nicht zur Geltung gebracht, sondern auch noch mit der Kohärenz ihres Werkes verwechselt. Man kann nicht einmal sagen, dass man hier einer falschen Versöhnung bewohnt, denn soweit kommt es gar nicht, dass die Widersprüche irgendwie entfaltet werden, sodass sie dann auf falsche Weise versöhnt werden könnten, sondern Barbara Sukowa lässt die Widersprüche erst gar nicht zu. Und daraus ergibt sich die Stimmung des von vornherein Versöhnten. Seit dem Aufkommen der Pop Art ist der Gegensatz zwischen Kunst und Kitsch zwar aufgehoben, nur heißt das nicht, dass das Schaffen eines guten Films leichter und beliebig geworden wäre. Manchmal gewinnt man hier den Eindruck, dass es langweilig und altbacken ist, couragiert zu handeln und vor allem kritisch zu denken. So fällt Frau von Trotta oft nichts anderes ein, als Hannah Arendt rauchend und aus dem Fenster schauend in Szene zu setzen. Die Rückblenden wirken willkürlich und die ambivalente Beziehung zu Martin Heidegger (Klaus Pohl) verkommt zur Nichtigkeit. Sicher, erfolgreichen Frauen ein cineastisches Denkmal zu setzen, ist momentan en vogue, aber hätte es nicht eine weitere tote Schauspielerin, Fußballerin oder Modedesignerin werden können?

Joris J.

Hannah Arendt“ Regie: Margarethe von Trotta, Drehbuch: Margarethe von Trotta, Pam Katz, Darsteller: Barbara Sukowa, Julia Jentsch, Ulrich Noethen, Janet McTeer, Axel Milberg, Kinostart: 10. Januar 2013