„Paradies: Glaube“ von Ulrich Seidl


Vollends die katholische Ästhetik, die in der Darstellung des Verpönten schwelgt, ist eine einzige Beschwörung der Diesseitigkeit von Lust im Bewusstsein ihrer Unmöglichkeit. In jedem Sakrament wird die Trauer über die enttäuschte Hoffnung auf die profane Auferstehung des Fleisches zelebriert. „Paradies: Glaube“ würde ohne Hauptdarstellerin Maria Hofstätter nicht funktionieren. Seit dem Film „Hundstage“ gehört sie zum festen Ensemble des Regisseurs Ulrich Seidl. Ihr Wechselspiel ist stets durch die Attribute komisch, irre und tragisch gezeichnet und hier kann sie es voll und ganz ausreizen. Seidl profitiert nur davon, denn die Herausarbeitung von Ambivalenz zu Gunsten einer spannenden Dramaturgie zeichnet jeden seiner Filme aus.

Die Unbarmherzigkeit und seelische Gewalt, die Seidls Schauspieler dabei durchlaufen, bringen am (bitteren) Ende die ganze Komplexität seiner Charaktere hervor. Konkret bedeutet das für „Paradies: Glaube“ das Sexualität und Aggression die Zivilisationsgeschichte hindurch immer ineinander verschlungen gewesen sind, und es bedurfte eines komplizierten, von vielen Rückschritten bedrohten und bis heute prekären Vermittlungsprozesses, bis überhaupt die Idee einer Sexualität aufkommen konnte, die auf die glückliche Selbstaufhebung der aggressiven Impulse in gemeinsam erfahrener Lust zielt. Sexuelle Lust ist im Grunde nichts anderes als die stets fragile, aber manchmal doch gelingende Vermittlung jener antagonistischen Impulse. Die Idee einer Externalisierung dieser Impulse scheiterte jedoch. Der Antagonismus von Seele und Leib kann nicht im Sakrament veräußerlicht werden. Die Sünde kann nicht in der Beichte abgeladen werden. Der Sünder bleibt trotz blutiger Knie weiterhin ein Verfolgter.

Joris J.

Paradies: Glaube Regie: Ulrich Seidl, Drehbuch: Ulrich Seidl, Veronika Franz, Darsteller: Maria Hofstätter, Natalija Baranova, Nabil Saleh, Rene Rupnik, Kinostart: 21. März 2013

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