„Parasite“ von Bong Joon-ho


Der koreanische Regisseur Bong Joon Ho begeistert die Film- und vor allem Festivalwelt mit seinen Werken. © Koch Films

Thematisch ist „Parasite“ sehr interessant. Der Film stellt die Frage, wer genau die Parasiten der Gesellschaft sind, die Armen oder doch vielleicht eher die Reichen, die zwangsläufig Kapital auf Kosten der einen oder anderen unteren Schichten der Gesellschaft anhäufen. Korea steht symptomatisch für eine Gesellschaft, die von Materialismus geprägt ist. Den Wirtschaftsaufschwung der letzten 30 bis 40 Jahre, der als wundersam bezeichnet wird und zum Begriff des Turbokapitalismus geführt hat, lebt hier eine städtische Bevölkerung konstant aus. Die Organisation des Alltags ist auf Konsum ausgerichtet, vom einfachen Marktstand auf der Straße bis zum riesigen Einkaufszentrum, alles beruht auf dem Prinzip des Geldausgebens, 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag. Während wir in Europa uns nicht unbedingt anders verhalten, aber viele zumindest in der Öffentlichkeit eine Haltung für mehr Genügsamkeit und ökologischem Bewusstsein propagieren, bleibt Status, der sich durch Besitz materieller Güter äußert, in Korea einziges erstrebenswertes Lebensziel.

In diesem Aspekt liegt inhaltlich die Schwäche des Films. Denn die Diskussion fällt zu undifferenziert aus. Es gibt keine Mitte. Die Elenden wollen mit den Reichen den Platz tauschen, es geht um alles oder nichts. Es geht nicht darum, dass die Reichen teilen sollen, nur „reich sein“ ist lebenswert. Natürlich kann es in der Fiktion auch darum gehen, durch Übertreibungen und Überspitzungen ein Thema erst ins Gespräch zu bringen. „Parasite“ verpasst es aber, der wendungsreichen, spannenden Geschichte mehr Relevanz zu geben. Der Film will zu viel gleichzeitig, so dass die einzelnen Teile zu schnell abgehandelt werden und die Charakterzeichnung zu kurz kommt. Die Phase in der die beiden Familien miteinander agieren, die einen die anderen manipulieren, um sich bei ihnen einzunisten, hätte an Interesse gewonnen, wenn die Denkweisen beider Seiten klarer herausgearbeitet worden wären. Die „armen Parasiten“ schaffen es nämlich sich einzubringen, weil sie an der Eitelkeit der anderen kitzeln, ihre Legitimierung als Mitglieder der Oberschicht immer wieder beteuern. Die Elemente, die beide sozialen Gruppen trennen, sind viel subtiler als sie sich aufs Offensichtliche beschränken würden. Auch dies hätte weiteren Stoff geboten und eine intensivere Auseinandersetzung mit der Problematik ergeben. Die Figuren bewegen sich zudem durch den Film wie in einem Cartoon, überzeichnet, exzentrisch und werden dadurch unglaubwürdig. Dies hatte auch Einfluss auf die Leistung der Schauspieler, denen ein ostentativ komisches Spiel nicht immer zuträglich war.

Mit dem Film beweist Bong aber seine Fähigkeit für einen guten Rhythmus sowie eine klare Bildsprache, die mit satten Farben und atmosphärischen Einstellungen arbeitet. Auf jeden Fall unterhält „Parasite“ und bietet künstlerisch anspruchsvoll eingefangene Bilder, so dass er trotz allem als kurzweiliges Filmerlebnis genossen werden kann. Zu wünschen wäre es, dass Bong wieder zu seinen früheren Arbeiten zurückfindet, die noch unmittelbarer und weniger sensationalistisch waren.

Teresa Vena

Parasite„, Regie: Bong Joon-ho, Darsteller: Song Kang-ho, Lee Sun-kyun, Jo Yeo-jeong, Jang Hye-jin, Park So-dam, Choi Woo-shik, Kinostart: 17. Oktober 2019

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