„Puppe, Icke und der Dicke“ von Felix Stienz


Drei auf dem Weg zu sich selbst?, Foto: achtung berlin

Drei auf dem Weg zu sich selbst?, Foto: achtung berlin

Der Weg ist nicht das Ziel

Es ist ja nicht immer ratsam, so eine querulante Großstadt wie Berlin – die heute weit mehr gesetzter ist, als sie es in den vergangenen vierzig Jahren war, in den Mittelpunkt einer Erzählung zu setzen. Erst reicht nicht, wenn man nicht genau weißt, worüber man eigentlich sprechen möchte, aber eben doch die Idee hat, etwas von diesem großartigen Panorama zu nutzen, das Berlin den Kreativen aus aller Welt spendiert. Felix Stienz, der sich bei „Puppe, Icke und der Dicke“ nicht nur als Regisseur sondern auch Autor verantwortlich zeichnet, begeht diesen Fehler zum Glück nicht. Weder stilisiert er Berlin zu einer Stadt der Individualisten, der freien Ideenreichen und der sich selbst leibeigenen Freelancer, noch verfällt er dem Klischee, dieser Stadt seine Geschichte aufdrängen zu müssen. Berlin ist bei Stienz schlicht das Ziel einer Reise dreier Menschen, die aus diversen Gründen nicht bei sich sind. Die in Frankreich aufeinandertreffen und irgendwann eine Gemeinschaft bilden, die mit dem Erreichen des Ziels ihr Ende nimmt. Berlin bleibt in all dem zumeist aussen vor. Das ist das Erfrischende an Stienz eingängiger Komödie. Weniger erquicklich allerdings ist es, dass der Filmemacher kaum weiß, was er von seinen Charaktere berichten soll, sie dennoch auf eine Reise schickt, die genau genommen jede x-beliebige Reise sein könnte.

Da ist der kleinwüchsige Bomber. Eine Berliner Großfresse und wohl das, was man in dieser Stadt fatalistisch als einen Lebenskünstler bezeichnet. Er befindet sich mit seinem schrottreifen Auto auf dem Weg nach Paris. Es ist seine letzte Reise als Kurierfahrer, sein Chef hat allen Angestellten der Firma gekündigt und mit einem letzten Auftrag bedacht. Was für Bomber danach kommt, weiß er nicht. Formal ist Paris erst einmal das Ziel. Und da ist die blinde Europe, ausgestattet mit einem unbedingten Willen, die Welt für sich zu entdecken. Sie ist auf der Suche nach dem Vater ihres Kindes, das in ihrem Bauch heranwächst. Den Vater vermutet sie in Berlin und so macht sie sich gemeinsam mit einer Freundin, die sie allerdings bald verlieren wird, auf nach Deutschland. Zeitgleich ist Bomber schon wieder auf dem Rückweg nach Berlin, nachdem ihm der geplante Coup, das Transportgut selbst an den Mann zu bringen, deutlich misslungen ist. Unterwegs trifft er auf den wortlosen wie fetten Bruno, der sich ihm, trotz seiner Sprachunfähigkeit (vielleicht ist es auch nur Unwillen) aufdrängt und im nonverbal zu verstehen gibt, dass es ihn zurück in seine Geburtsstadt – Berlin – zieht. An einer Tankstelle, an der Bruno und Bomber schließlich halten, ist es dann so weit. Europe, die Bruno aus Paris kennt, steigt zu den beiden ins Auto. So weit so gut.

Es könnte sich an dieser Stelle des Films vieles entwickeln. Eine charmante Komödie, die die Schräglagen der drei Charaktere ausleuchtet und dennoch komisch bleibt. Oder die sich an dramatische Stoffe wagt, die Geschichten von Bruno, Bomber und Europe entdeckt und in den Widersprüchen der drei Gemeinsamkeiten wie Pole offenbart. Doch hier mag sich Regisseur Felix Stienz nicht recht entscheiden. Er schickt seine Protagonisten zwar auf eine Reise, sieht ihnen dabei aber nur mäßig interessiert zu. Dabei zeichnet sich eine Bewegung von A nach B doch vor allem immer auch durch Veränderung und Verschiebung, Einsicht wie Umsicht aus, zeigt das Scheitern wie den möglichen Neuanfang. Das alles beinhaltet meist auch noch etwas Komisches – und einen tragischen Rest, der dem Zuschauer gleichermaßen Sympathie wie Abneigung abringt. Warum sonst ist das Groteske im Kino so ansprechend? Doch „Puppe, Icke und der Dicke“ will dort überall nicht hin. Will weder überzeichnen, noch etwas mit seinen Protagonisten wagen – oder gar so weit gehen, Verhältnisse stark zu reduzieren. So bleibt am Ende der Reise kaum etwas von dem Reiz übrig, den das Dreigespann am Anfang verspricht. Eine Reise kann eben ereignisarm sein. Darum ist sie schnell vergessen.

Martin Daßinnies

Puppe, Icke und der Dicke Regie/Drehbuch: Felix Stienz, Darsteller: Alice Dwyer, Stéphanie Capetanidés, Tobi B., Matthias Scheuring, Kinostart: 22. November 2012