„Robot Dance“ von Matthias Fritsch (April 17)


"Robot Dance" von Matthias Fritsch ist unser Open Screening Kurzfilm des Monats April 2017!

„Robot Dance“ von Matthias Fritsch ist unser Open Screening Kurzfilm des Monats April 2017!

An jedem dritten Mittwoch im Monat können Filmemacher ihre Kurzfilme – ohne Anmeldung, ohne Vorauswahl, ohne Jury – beim Open Screening im Sputnik Kino Kreuzberg präsentieren und jeweils nach der Vorführung mit dem Publikum ins Gespräch kommen. Unerwünschte Inhalte können vom Publikum mit mehrheitlich gezogener roter Karte gestoppt werden. Das Ganze ist somit so etwas wie ein Filmfestival ohne Netz und doppelten Boden, bei dem ausschließlich Filmemacher und Publikum entscheiden, was gezeigt wird.

berliner-filmfestivals.de präsentiert euch einmal im Monat einen von den Veranstaltern ausgewählten Beitrag der letzen Open Screening-Ausgaben mit einem Interview. Bei uns erfahrt ihr mehr über die Macher der Filme und ihre Pläne. Nach Wintersonnenwende“ von Denise Ekale Kum im Januar, For Our Cockroaches“ von Stella Macdonald im Februar und Welcome to Mumbai“ von Linus Ma folgt im April „Robot Dance“ von Matthias Fritsch als Open Screening Kurzfilm des Monats April.

Viel Vergnügen bei unserem Doppel-Interview mit Regisseur Matthias Fritsch und Matthias Wyder vom Sound 8 Orchestra, der den Film eindrucksvoll als Musikvideo nutzt, wie ihr unten bewundern könnt…

Matthias (Fritsch), das Musikvideo „Robot Dance“ des Sound 8 Orchestra ist Ergebnis deines faszinierenden Projekts „Music from the Masses“. Erzähl doch mal etwas über das Konzept, wie genau funktioniert das?
Matthias Fritsch:
„Music from the Masses“ ist ein Musikvideoprojekt im Internet. Es ist ein Tauschgeschäft zwischen mir, einem Filmemacher, der Musikvideos macht, und Musikern, die Musikvideos brauchen und selbst nicht die Kapazitäten haben, diese selbst zu produzieren. Der Unterschied zu einem normalen Musikvideo ist, dass der ganze Prozess umgedreht ist: Erst gibt es das (stumme) Musikvideo, dann wird die Musik dafür erstellt. Die Musiker können sich ganz darauf konzentrieren, was sie gut können: Musik machen. Das ganze ist entkoppelt von finanziellen Transferleistungen. Ich will nur eine Kopie ihres Soundtracks haben. Die Musiker können ihr fertiges Musikvideo dann kostenlos für alle ihre Aktivitäten benutzen. Auf diese Weise haben ein paar Musiker ganze Alben von unterschiedlichen Musikvideos erstellt (hier ein Beispiel) und ich umfangreiche Serien von Versionen des selben Ausgangsvideos, anhand derer sehr gut klar wird, was der Ton für einen Einfluss auf das Bild hat. Denn je nachdem, was für ein Ton unter die selbe Videospur gelegt wird, kann das Ganze komplett anders wirken.

Was hat dich auf diese Idee gebracht?
Fritsch:
Ein uraltes Kunstvideo von mir hat es 2007 mit dem Aufkommen von Social Media und Youtube zu unerwarteten Ruhm gebracht. Vielleicht kennen ja einige der Leser noch das „Technoviking„-Video. Nachdem es vom Netz entdeckt und viral verbreitet wurde, entstanden unzählige Remixvarianten. Ich begann diese Nutzerreaktionen zu sammeln und zu kategorisieren. Über 40 verschiedene Ansätze allein fand ich bei den Strategien des Videorecycling meines Videos. In der zahlenstärksten Kategorie wurde das Videobild unbearbeitet gelassen und einfach nur mit einem komplett neuen Ton unterlegt. Die Spanne ging dabei von Volksmusik bis Heavy Metal. Ich dachte mir: ‚Wenn die Leute im Netz so viel Lust haben, mein Video neu zu vertonen, warum mache ich nicht einfach ein Kunstprojekt, das direkt darauf ausgelegt ist und dieses Potential ausschöpft?! So entstand das Vorhaben, fünf Jahre lang alle sechs Monate ein neues stummes Musikvideo zu produzieren und mit einem Open Call zu veröffentlichen, und zu sehen, was die Bandbreite der Reaktionen und Beteiligten ist. Eine künstlerische Studie zu den Anfängen des sozialen Netzes, nachdem die Werkzeuge für alle erschwinglich und aus Konsumenten auch Produzenten, die sogenannten Prosumer, wurden. Im Gegensatz zu Zeiten von Depeche Mode, die in den 80ern ein Album namens „Music for the Masses“ machten, gab es nun „Music from the Masses“, die Möglichkeiten der Massen, selber Musik zu produzieren und diese zurückzuschicken.

Weiterlesen: Hier unsere Kritik zur Doku „The Story Of Technoviking von Matthias Fritsch…

Robot_Dance_Fritsch_3Es gibt inzwischen zu den einzelnen Filmen verschiedenste Soundtrack-Versionen. Wie viele sind insgesamt in der Projektlaufzeit von 2008 bis 2014 auf diese Weise entstanden? Und was kannst du über die Hintergründe der Musiker sagen, die mitmachen?
Fritsch:
Richtig aktiv habe ich das bis 2014 betrieben und wie geplant zehn stumme Musikvideos erstellt. Ich bekomme immer noch neue Soundtracks zugeschickt. Bisher habe ich knapp 300 Versionen (hier zu sehen) gesammelt und circa 50 Live-Performances dokumentiert, die im Rahmen von Festivals und Ausstellungen entstanden. Eine Erfahrung, die mich besonders beeindruckt, war die unglaublich hohe Qualität von vielen der Soundtracks, obwohl die Mehrheit der Künstler keine professionell ausgebildeten Musiker waren. Das hat etwas mit der Entwicklung der digitalen Werkzeuge zu tun. Alle haben Musik als ihre Passion, arbeiten aber oft hauptberuflich in ganz Feldern, kommen aus verschieden sozialen Schichten und Nationen. Um auch diese Geschichten hinter den einzelnen Soundtracks zu transportieren, habe ich von allen Teilnehmern zudem einige grobe demographische Hintergrundinformationen gesammelt und in der Videobeschreibung veröffentlicht.
Ein Soundtrack klingt anders wenn ich weiß, das er von einem Teenager stammt oder einem professionellen 60jährigen Musiker mit über 40 Jahren Berufspraxis. Der Großteil der Soundtracks wurde speziell für die Videos entwickelt. Manche Musiker verwenden schon existierende Songs, was dann jedoch im Verhältnis von Schnitt und Musik zu spüren ist. Einige wenige Musiker wollen auch etwas am Video verändern, damit es besser mit ihrer Musik einhergeht. Ein Video in der ersten Staffel ist auf diese Art und Weise auch mal komplett zerhackt und neu geschnitten worden. Und ich finde es großartig!

Weiterschauen: Schon im November 2013 hat Matthias Fritsch mit seinem „FM-Biography“ einen Open Screening Kurfilm des Monats abgeliefert, den ihr hier sehen könnt…

Jetzt speziell zu dem Video, das für „Robot Dance“ verwendet wurde. Im Abspann kann man lesen, dass es in St. Petersburg gefilmt wurde. Wie ist der Film zustande gekommen?
Fritsch:
Ich war sehr neugierig, wie es wäre, ein paar Monate in Russland zu leben. Als ich mit Kind und Kegel ein paar Sommermonate in Moskau wohnte, ist bei einer Reise nach St. Peterburg zufällig diese Sequenz in einem Park entstanden und später habe ich sie für ein neues Video aus meinem Archiv ausgegraben. Ein paar Einstiegs- und Abschlussbilder brauchte ich noch, die filmte ich dann schnell im Tiergarten um die Ecke.

An welchen Projekten arbeitest du aktuell?
Fritsch:
Aus „Music from the Masses“ entstand die Plattform „Moving Silence“, mit der ich alle paar Monate aktiv bin. Was eigene künstlerische Arbeiten betrifft, so hab während dem letzten aufwendigeren Filmprojekt „The Story of Technoviking“ einen drastischen Wechsel vollzogen. „Music from the Masses“ und die „Technoviking“-Geschichte basieren beide auf Remix/Mashup/Recycling-Kultur. Dabei bin ich in gewisser Weise geblieben, nur dass es jetzt nicht mehr um Virtuelles sondern Materielles geht. Ich beschäftige mich sehr viel mit Stoffkreisläufen und habe z.B. ein System entwickelt, mit dem jeder im Wohnzimmer kompostieren und so Abfälle vermindern und super Humus für Zimmer- und essbare Pflanzen produzieren kann. Wir sind fleißig beim Ressourcenverschwenden und riskieren dabei eine angenehme Zukunft für die Menschen, die nach uns kommen. Daher bin ich gerade fleißig mit Kompostieren, Fermentieren, Pilzen und Fragen von Nachhaltigkeit, besonders im urbanen Raum beschäftigt. Vielleicht kommt so irgendwann wieder ein Film zustande. Aber vorerst genieße ich es mehr, mir die Hände schmutzig zu machen!

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