SOLIDARITY von David Bernet

Die vielen Gesichter der Solidarität
Die Schrecken des zweiten Weltkrieges brachten viele Menschen zum Umdenken. Zum ersten Mal wurde über universelle Menschenrechte, über eine globale Solidarität gesprochen. Doch was heißt Solidarität heute, viele Jahre später, in einer Zeit multipler Krisen? Und was passiert, wenn sie nicht global gedacht wird? David Bernet beleuchtet in seinem neuesten Dokumentarfilm SOLIDARITY die hellen und dunklen Seiten der Solidarität.
Migration ist, befeuert durch eine Vielzahl an Krisenherden, eines der meistdiskutierten Themen unserer Tage. Und sie löst Solidarität aus. Allerdings hat diese viele Gesichter.
Als an der belarussisch/polnischen Grenze tausende Flüchtende darauf warten in die EU zu kommen, engagieren sich nur wenige Menschen für deren Rechte. Eine, die schon lange für die Rechte von Flüchtlingen kämpft, ist Marta Siciarek. Sie sucht nach Wegen die an der Grenze festsitzenden Menschen nach Polen zu bringen und sie dort in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dann greift Russland die Ukraine an und plötzlich stehen sehr viel mehr fliehende Menschen an Polens Grenzen. Hier scheint plötzlich ganz Polen solidarisch zu werden. Die Ukrainer sind den Polen vertrauter, das weckt eher den Drang, zu helfen.
Solidarität ist von Grund auf parteiisch. Es geht um die Solidarität der einen gegenüber der anderen Gruppe, so Philosoph Bashshar Haydar. Und genau hier liegt ihre Gefahr. Sie kann dazu führen, dass Menschen sich verpflichtet fühlen, ihre Gruppe gegenüber einer anderen zu verteidigen. Hierbei verdrängt man schnell die Fehler und Missstände der eigenen Gruppe. Außerdem entsteht dadurch schnell ein Ungleichgewicht. So nehmen Länder wie der Libanon oder Jordanien im Verhältnis zur eigenen Bevölkerung sehr viel mehr Migranten auf als wohlhabendere europäische Länder.
Globale Solidarität ist das Ziel
Bernet begleitet nicht nur Marta Siciarek, sondern auch die stellvertretende UN-Hochkommissarin Gillian Triggs, Filippo Grandi, Leiter der UNHCR, der Flüchtlingskommission der Vereinten Nationen, und Christine Goyer, die ebenfalls für die UNHCR arbeitet. Hier zeigt sich eine Institution, die da ist, wenn die Anfangswelle der Solidarität schwindet, die stets auf das Leid der vielen Flüchtlinge aufmerksam macht und neue Wege sucht zu helfen. Ihr Kampf um wahrhaft globale Solidarität ist mühsam und voller Hindernisse.
SOLIDARITY ist gut recherchiert und regt zum Nachdenken an. Der Bogen des Films zieht sich klar von der naheliegendsten positiv konnotierten Solidarität, über ihre institutionelle Form hin zu ihren Schattenseiten. Dabei weckt er Solidarität gegenüber seinen ProtagonistInnen bei den Zuschauenden ohne zu sehr auf die Tränendrüse zu drücken. Es genügt ihm, sie in ihrem Alltag zu begleiten. Auch die ProtagonistInnen selbst wirken oft klar und fast nüchtern. Ihre Solidarität ist kein kurzfristiger emotionaler Impuls, sie ist ihre Lebensaufgabe, die sie gegen alle Widerstände umsetzen. Bernet bricht hier eine Lanze für die vielen Menschen, die sich auf institutioneller Ebene für eine globale Solidarität einsetzen. Denn nur so, wenn klare, universelle Regeln festgesetzt und durchgesetzt werden, erfahren alle die gleiche Form der Solidarität.
SOLIDARITY; Regie: David Bernet; Kinostart: 25. September 2025