„Was bleibt“ von Hans Christian Schmid


Bürgerliche Mitte in "Was bleibt"

Bürgerliche Mitte in "Was bleibt"

Bürgerliche Befindlichkeiten

Die Eltern laden ein. Mitten im Jahr und ohne ersichtlichen Anlass muss sich der Berliner Schriftsteller Marko mit seinem Sohn Zowie auf den Weg ins Kölner Hinterland, nach Siegburg, machen. Große Lust verspürt er nicht. Seit Monaten lebt er in Trennung von Tine, der Mutter von Zowie. Happy End eher ausgeschlossen. Die beiden haben sich auseinander gelebt. Schon im Zug begegnet er Ella, der Freundin seines kleinen Bruders Jakob, doch das ahnt er da noch nicht. Wie klein die Welt doch ist. Jakobs Weg verlief konträr zu Markos. Statt den Künsten hat der sich der Zahnmedizin gewidmet. Er blieb der Region treu und in der Nähe der Eltern. Gerade Mutter Gitte, die seit Jahrzehnten unter einer Depression leidet, wollte und konnte er nicht zurück lassen. Jakob wollte seinen Vater Günter, der in Frankfurt einen Verlag leitet und häufig nur an den Wochenende zugegen war, unterstützen.

Doch eine Zeit steht an, in der sich alles ändern soll. Am See vertraut Günter Marko seine Pläne an: Er verkauft den Verlag. Genug mit der ewigen Plackerei. Er wolle sich im letzten Lebensdrittel neue Ziele setzen und alten Träumen nachgehen. Schließlich sei die Familie versorgt und das Feld bestellt. Natürlich wusste auch Jakob schon von den Plänen des Vaters, als sich die Familie zum gemeinsamen Essen an der Familientafel trifft. Günter, der ihm die eigene Praxis finanziert, hat in sicher schon zeitig ins Vertrauen genommen. Günter ist es gewohnt, zu bestimmen. Und Männerkungeleien funktionieren dank solcher Männergespräche. Zur Überraschung aller und vor allem Günters ist es Gitte, die der Familie etwas verkünden will. Sie lebe seit Monaten ohne Medikamente gegen ihre Depression – und sie fühle sich großartig damit. Daher wolle sie daran nichts ändern. Doch Euphorie kommt keine auf. Es dauert, bis sich die Schockstarre in den Gesichtern der Anwesenden löst. Zu viel war in der Vergangenheit geschehen, zu oft war Gitte außer Kontrolle geraten.

Nach all den Jahren, in der der schöne Schein gewahrt wurde, will Gitte nun also ausbrechen. Will ein selbstbestimmtes Leben führen – ohne Permavernebelung durch Antidepressiva gegen eine Krankheit, die nie wirklich diagnostiziert wurde. Davon sind Günter und Jakob wenig angetan, während Marko Verständnis für seine Mutter aufbringt und sie ermutigt. Das Ungleichgewicht lässt die Fassade bröckeln. Alte Konflikte brechen auf und als Gitte am Morgen des nächsten Tages verschwindet, ist die Familienidylle endgültig dahin.

Das Werk von Schmid und seinem Drehbuchautor Bernd Lange fällt im Vergleich zu früheren Werken deutlich ab und kann die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Das beginnt mit der Exposition der Geschichte, für die sie ein doch arg stereotypisches Bild eines neuen Bürgertums zeichnen, das in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg entstand. Darin bestimmen die Männer als prägende Figuren, wo es lang geht, während deren Frauen sich ums Zuhause kümmern und die Kinder sich zwischen deren Lebensmodellen entscheiden müssen.

Größtes Problem von „Was bleibt“ sind allerdings die Dialoge, die beiläufig die unterdrückten und offenen Befindlichkeiten der Protagonisten zum Ausdruck bringen sollen, aber häufig einfach nicht funktionieren und recht arglos daherkommen. Was wiederum ursächlich an den schauspielerischen Umsetzungen liegt, die sehr an Bühnenperformances beim Theater erinnern. Einzig Corinna Harfouch ist von dieser Kritik auszunehmen, die ihre Rolle der Gitte Heidtmann großartig umsetzt. Als die Story vollends an die Wand zu fahren droht, greift Schmid auf einen Taschenspielertrick zurück und strapaziert die Dramaturgie mit einer Erlösung verheißenden Vision, die all seinen Figuren einen würdevollen Abgang ermöglichen soll. Schade.

Denis Demmerle

Was bleibt
Regie: Hans-Christian Schmid, Darsteller: Lars Eidinger, Corinna Harfouch, Ernst Stötzner, Kinostart 6. September