Kinocharts 2009: Arthouse Fehlanzeige


Til Schweiger wird es nicht gefallen. Und – er würde die aktuelle Studie der FFADie TOP 50-Filme des Kinojahres 2009“ mit etwas nicht besonders Nettem kommentieren. Dort steht ein Satz – „deutsche Produktionen wussten im letzten Kinojahr abermals durch Themen zu überzeugen“ – der nicht so recht passen mag. Passen will zu einer Kinokultur, die sich vor allem an ihrem Unterhaltungswert und nicht an ihrem thematischem Tiefgang misst, beiden Bereiche aber ordentlich durcheinander wirft.

Laut aktueller Studie entschieden sich acht von zehn Kinobesuchern für einen deutschen Film, weil sie das Thema überzeugte. In der Studie aufgeführt werden die Filme Buddenbrooks, Wüstenblume und Operation Walküre. Das legt nahe, dass sich viele Besucher Stoffen annahmen, die sich nur schwerlich unter dem Begriff unterhaltsam fassen lassen. Ohnehin ist strittig, ob es sich bei dem von Bryan Singer inszenierten Kriegsdrama tatsächlich um einen deutschen Film handelt. Zwar beteiligte sich der Deutsche Filmförderfonds (DFFF) mit 4,8 Millionen Euro an den Gesamtkosten, für die Produktion zeigte sich aber die amerikanische Filmgesellschaft United Artists verantwortlich.

Dem deutschen Publikum liegen also ernstere Themen am Herzen, sagt die Studie. Dafür wurde die hiesige Filmbranche vom Ausland über Jahrzehnte hinweg belächelt. Der deutsche Film ist ein schwerer Film. Niemals leicht und schon gar nicht unterhaltsam. Stimmt das? Betrachtet man die Einspielergebnisse und Besucherzahlen des letzten Jahres etwas genauer, regen sich schnell Zweifel. Folgendes Bild ergibt sich: Erfolgreichster deutscher Film 2009 ist Michael Herbigs Wickie und die starken Männer mit 6,13 Millionen Zuschauern (Platz drei der Top 50). Eine Komödie. Auf Platz sechs der Jahrescharts folgt Zweiohrküken (4.2 Millionen) von Til Schweiger, der elfte Platz geht an Die Päpstin (2,45 Millionen) von Sönke Wortmann. Weit dahinter, auf Platz 17, positionierte sich Simon Verhoevens Männerherzen (2,1 Millionen), Platz 22 erreichte Männersache (1,83 Millionen) von Gernot Roll. Operation Walküre findet sich immerhin auf Platz 34. Wohingegen Produktionen wie Effi Briest (Hermine Huntgeburth), Hilde (Kai Wessel) mit Heike Makatsch, Michael Hanekes Kritikerliebling Das Weiße Band und die Literaturverfilmung Buddenbrooks (Dr. Heinrich Breloer) nicht mal die Top 50 erreichten.

Auffällig – der Unterhaltungswert eines Films ist maßgeblich für seinen Erfolg, nicht die Relevanz seines Themas. Zehn von fünfzehn deutschen Produktionen der Top 50 sind reine Familienunterhaltung und nicht, wie es die Studie suggeriert, anspruchsvolles Kino. Was also soll der Begriff Thema bedeuten? Ist etwas Thema? Oder interessiert man sich für ein spezielles Thema, ein Motiv oder einen Aspekt – um es mit anderen Worten zu umschreiben. Um so spannender liest sich eine weitere Erkenntnis der FFA-Studie, die sagt, dass „das Fernsehen besonders wichtig für deutsche Filme war“. Erklärung: „Kinobesucher wurden vor allem durch TV-Werbung auf Komödien wie Wickie und die starken Männer und Männersache aufmerksam“. Insbesondere Michael Herbigs Film gewann „durch eine intensive Berichterstattung im Fernsehen“ an Popularität.

Warum nun würde Til Schweiger schnauzen? Weil er, laut Studie, gar keinen erfolgreichen Film produziert hat, da sein Film beim Publikum nicht durch ein Thema überzeugen konnte. Oder anders: Die aktuelle Studie dokumentiert vor allem eines – das deutsche Publikum ist an leicht verdaulichen Stoffen interessiert. Und: Die betreffenden Filme wurden erfolgreich und mit erheblichem Aufwand beworben. Über Arthousefilme und ihre Chancen an der Kinokasse sagt die Studie dagegen kein Wort. Das ist wohl auch ein anderes Thema.

Martin Daßinnies