Filmfest Eberswalde: Große Pyramiden in blühenden Landschaften


Plakat: Die Große Pyramide

Plakat: Die Große Pyramide

Das Filmfest Eberswalde untersucht das Verhältnis von Stadt und Land, von Metropole und Provinz, welches nicht eben als das Beste bekannt und schon gar nicht von allergrößtem gegenseitigem Respekt geprägt ist. Zwischen dem 2. und 9. Oktober fand also kurz hinter den Toren Berlins in Eberswalde, der brandenburgischen Provinz, zum siebten Mal das dort angesiedelte Filmfest statt. Die Festival-Macher begreifen ihren Standort dabei nicht als Nachteil, sondern verstehen ihn im Gegenteil als sinn- und diskursstiftend. Frech überschreiben sie die eigenen Film-Tage als „Provinziale„.

Durch diese Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle, mit dieser Fokussierung auf ein spezielles Thema, geben sie dem Festival eine eindeutige Richtung. Denn die Provinz sei „nicht zwingend ein Ort des Stillstands“ betont Vivien Zippel, die Eberswalder Festivalleiterin schon im Gespräch vor Beginn des Festivals. Vielmehr sei sie „ein Ort, wo Wandel und Entwicklung möglich sind.“ Die Provinz als Thema macht weder an urbanen, noch an nationalstaatlichen Grenzen halt. Das Programm der Festival-Woche umfasste letztlich 67 Dokumentationen, Animationen und Kurzspielfilme, die aus über 800 Einsendungen aus allen Teilen der Erde hervorgingen. Bemerkenswert und sehr löblich, mit welcher Trennschärfe die Organisatoren mit dieser Auswahl dabei ihr rundum gelungenes Festivalprogramm zusammenstellten, dessen Veranstaltungen im zum Kino umfunktionierten Paul-Wunderlich-Haus, wo sonst Kreisverwaltung und Landrat tagen, von knapp 2.000 Zuschauern besucht wurden.

Der Festival Club in Eberswalde

Der Festival Club in Eberswalde

Anschaulich wird die Programmierung bei Betrachten zweier Dokumentationen, denen die Teilnahme am regulären Betrieb verwährt blieb, die aber immerhin als Sonderprogramme gekennzeichnet ihren Weg ins Festival fanden. Sowohl „Kinshasa Symphony“ (von Claus Wischmann & Martin Baer), der über ein Orchester, welches in der kongolesischen Hauptstadt mit teils selbstgemachten Instrumenten musiziert, berichtet, als auch „Die große Pyramide“ (von Frauke Winsterwalder) waren nicht mittendrin, aber immerhin dabei. „Die große Pyramide„, erklärt der in Eberswalde aufgewachsene und für die Konzeptberatung zuständige Kulturwissenschaftler Kenneth Anders im an die Filmvorführung anschließenden Filmgespräch, zeige zwar ein „interessantes Aufeinandertreffen der Kulturen„, sei aber nicht im Wettbewerb, weil das Projekt zu sehr über das Thema Provinz hinwegschliddere.

In der Eberswalder Provinz steht die leitende Frage „Gestalten wir selbst unseren Raum?“ über der Konzeptidee. Bei „Die große Pyramide“ ist dem nicht so. Er zeigt eine Gruppe Visionäre (unter ihnen übrigens auch Christian Kracht), die am Reißbrett eine Idee ersinnen und meinen im Dorf Streetz nahe Dessau den perfekten Ort zur Verwirklichung dieser gefunden zu haben. Dort rennen sie bei der ansässigen Bevölkerung keine offenen Türen ein, sondern treffen auf Widerstände. Nicht jeder dort möchte deren Glauben an einen pyramidenförmigen, globalen Friedhof als Türöffner für eine güldene Zukunft begreifen. In der strukturschwachen Gegend sprach offensichtlich schon mancher Glücksritter zuvor von blühenden Landschaften… Doch nicht nur die Auseinandersetzung mit den Bewohnern des Dorfes macht den Film zu einem sehenswerten Dokument, ebenso sehr fesseln die Konflikte innerhalb des Pyramidenbauervereins und die Hingabe, mit der vor allem die beiden Köpfe des Projekts um dessen Umsetzung kämpfen. Kein Wunder, dass der Pyramiden-Verein „einen anderen Film als Ergebnis erwartet hat„, wie Produzent Phillip Worm nach der Vorführung berichtet. Doch Ziel des Film-Teams um Regisseurin Winsterwalder war „kein Pro-Pyramide-Film zu machen„, sondern „einen neutralen„.

Mehr über die Wettbewerbe und Preisträger von Eberswalde auf Seite 2!

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