Zebra Poetry Film Festival: Das Wort im Film


Anna Blume„, nach dem berühmten Gedicht von Kurt Schwitters, war eine kleine cinematographische Zeitreise in die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Witzig und gleichermaßen bedrohlich kam diese kleine kannibalistische Sentenz daher – gut geschnitten, musikalisch stimmig unterlegt. Es folgte der großartige, saukomische Beitrag „Höpöhöpö böks“ vom Finnen Erikur Örn Norodahl. Wenn es ein Glücksrad in Island geben würde und man als Gast den Buchstaben Ö kaufte – wenigstens 10mal wäre ein Bing zu vernehmen. Eine Sprecherstimme aus dem Off rattert cholerisch Verwünschungen herunter. Jedes Wort mit Ö. Nach ungefähr zwei Minuten entwickelt sich das Geräusch des Ös in eine mikrochromatische Melodik, die sich stets in ihrem harmonischen und unharmonischen Klangspektrum erweitert. Die Erinnerung an den Inhalt reißt dabei aber niemals ab und ist darüber hinaus unglaublich komisch.

Mit „Mr. Bradley, Mr. Martin“ folgte die Verfilmung eine Burroughs Gedichts, das leider weitgehend unterschätzt wird. Beim Schriftsteller William S. Burroughs schießen einem automatisch dutzende von Assoziationen durch den Kopf. Die meisten von ihnen verdrängt man, da sie ein zivilisiertes Miteinander einfach unmöglich machen. Wortkonstruktionen, die man vielleicht im Höchstfall seinem ärgsten Feind zugestehen würde, bilden den Boden, auf dem seine seltsamen, an Obszönität und Gewalttätigkeit immer noch verstörenden Pflanzen und Bäume wachsen. „Mr.Bardley, Mr.Martin“ ist die Geschichte eines außerirdischen Agenten, der nach lebenslanger Mission zurückbeordert wird. Obwohl die Bildsprache surrealistisch, rauschend, selbstredend bedrohlich und abstoßend ist, kommt der Text, der von Burroughs persönlich eingesprochen wurde, mit einer beachtlichen Sensibilität daher. Man könnte es als tragisch-komische Forcierung eines Soziologen sehen: Gute Soziologen kommen in ihrer Persönlichkeit außerirdischen Agenten doch recht nahe. Man könnte es als Folie à deux sehen, der gute alte Burroughs teilt seinen Wahnsinn nicht nur mit uns, er überträgt ihn. Gnädigerweise endet diese doch ganz besondere Anteilnahme mit dem Ende des Films.

Zurück in den hohen Norden, genauer gesagt nach Schweden, woher einer der Tiefpunkte der beiden Wettbewerbsabende, „Ödeläggelse IV Stockholm„, stammt. Stimmen und Texte schwedischer und arabischer Sprache treffen auf Nahostkriegsbilder. Zugegebenermaßen nicht schlecht gemacht, nur ist dieser Film eher ein guter Werbespot als eine artifizielle Auseinandersetzung mit dieser traurigen Kriegs-Thematik. Und es bleiben Fragen offen: Werbung wofür oder wogegen? Gegen den Krieg ? Selbstverständlich findet jeder Mensch mit gesundem Menschenverstand Krieg als das Verachtenswerteste, zu dem Menschen in der Lage sind.

Letztendlich: Die Transkription von einem Medium wie dem Gedicht, das trotz seiner fragmentarischen Erscheinung zu den Ganzschriften gezählt werden kann, zu einem Medium wie dem Film, das als literarische Basis das Drehbuch und das Storyboard kennt, ist generell schwierig zu gestalten und nur unter Abstrichen realisierbar. Projektierte Bilder können nie imaginierte Bilder in all ihren Details vollständig treffen, denn imaginierte Bilder formen sich individuell, doch gelingt es guten Arbeiten sie in ihren Umrissen abzudecken. Das Abdecken gelang vereinzelt, ansonsten hieß es lost in translation.

Text: Joris J., Martin Daßinnies

Die Gewinner:

Bester Poesiefilm – Robert Pohle und Martin Hentze für den Film „Der Conny ihr Pony
Filmpoesie-Preis des Goethe-Instituts –  „To the Marriage of true Minds“ von Andrew Steggall(UK)
Ritter-Sport-Preis, gestiftet von der Alfred Ritter GmbH & Co KG – „Anna Blume“ von Vessela Dantcheva
radioeins-Publikumsjury – „Breathe“ von Emma Passmore (UK) für den Film „Breathe“
Bester Kinderfilm – „About Bigmouse“ von Constantin Arefiev (Russische Förderation)
eine lobende Erwähnung erhielt „Höpöhöpö Böks“ von Eiríkur Örn Norðdahl (Island)

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