Directors Lounge im Pfefferberg


Filmszene: "Uso Justo"

Filmszene: "Uso Justo"

24 Bilder pro Sekunde.  Die einzig geltende Konstante im Bereich des Films? Die Directors Lounge widmet sich vom 10. bis 20. Februar auf dem Pfefferberg in der Galerie Meinblau dem Bruch der cineastischen Konventionen. Ein Bruch, der genau genommen nur ein wenig jünger ist als das Medium Film als Ganzes. Bereits 1923 verwendete Sergej Eisenstein in einer Inszenierung des Theaterstückes „Eine Dummheit macht auch der Gescheiteste“ filmische Sequenzen. Wollte er noch durch sinnliche Stimulation und aggressiven Bilderwahn den Zuschauer von den bürgerlichen Konventionen befreien, ging es Filmschaffenden wie Luis Buñuel („Ein andalusischer Hund„), Jean Cocteau („Der Zauberlehrling„) oder Walter Ruttmann („Berlin – Sinfonie einer Großstadt„) um ein Experiment mit offenem Ausgang … kein Ziel ist das beste Ziel.

Zehn Tage lang werden jeweils ab 18 Uhr auf dem Festival länder- und themenspezifische Programme gezeigt. Außerdem wird es einen Open Call, wo die besten der Schrägsten gezeigt werden, geben. Unter den Filmemachern sind u.a. Jean-Gabriel Périot, ein Vertreter des französischen Experimentalfilms, Alexei Dmitriev aus St. Petersburg, das Collectif Jeune Cinéma, Klaus W. Eisenlohrs „Urban Research“ und Filme von Künstlern des Myriam Blundell Projektes. Außerdem wird der Brite Michael Nyman, eigentlich Komponist, eigene Filme persönlich vorstellen. Im Jahr 1974 veröffentlichte er das autoritative Buch „Experimental Music: Cage and Beyond“. Überdies gesellten sich filmische Kompositionen, wie etwa der für Peter Greenaways „Der Kontrakt des Zeichners“ oder „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“ zu seiner Vita. Ein gewisser Mainstream-Erfolg wurde mit dem musikalischen Auffüllen von Jane Campions „Das Piano“ erzielt. Ging er nach seiner Begegnung mit den Pionieren der Minimal Music den Weg, ausdrücklich „schöne Musik“ zu schaffen, um sich von den Formalisten des Serialismus abzusetzen, bleibt es eine Überraschung, inwieweit seine Filme einen Bruch mit den derzeitigen Sehgewohnheiten darstellen werden.

Darf man ein pathetisches Wort wie Legende im Zusammenhang mit einem dem Pathos fernen Gebiet wie dem experimentellen Film verwenden? Guy Maddin, lebende Legende und diesjähriger Juror der Berlinale, wird ein gesamter Abend zugedacht. Von der Ästhetik des Stummfilms besessen, hält der Kanadier seit Mitte der 1980er die Nebelkerze des Post-Was-Auch-Immer-Gruselfilms empor und schuf mit Streifen wie „Archangel„, „The Saddest Music in the World“ oder „Twilight of the Ice Nymphs“ Juwelen des Programmkinos. Viele seiner Filme spielen mit Stereotypen und wirken manchmal wie cineastische Antworten auf Fragen bzw. unbeabsichtigte Zweideutigkeiten der Klassiker dieses Genres. So lohnt es sich zum Beispiel, Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ und  Maddins „Archangel“ im Doppelpakt zu schauen. Ironischerweise kam der Banker und Autodidakt eigentlich nur auf das Anraten seines Freundes Steve Snyder, Dozent für Produktion an der University of Manitoba, auf die Idee, selbst hinter die Kamera zu gehen. Ohne dieses persuasive Eingreifen wäre seine schier unbändige Vorstellungskraft wohl in seinem Kopf geblieben.

Übrigens ist es ein urbaner Mythos, dass experimentelle Filmschaffende Angst oder Abneigung vor einer breiten Öffentlichkeit haben. Nach dem zweiten Weltkrieg waren es vor allem die Festivals in Brüssel, München und Hamburg, die dem Wunsch nach Verbreitung nachkamen. In den 1990ern wurden diese Streifen schließlich dem konventionellen Film gleichgestellt und fanden so in die Museen und Galerien Einzug. Den Zuschauer erwartet mit Sicherheit ein debattenreiches Programm.  

Text: Joris J.

Berlin International Directors Lounge, 10. bis 20. Februar, jeweils ab 18 Uhr, Galerie Meinblau, www.directorslounge.net