Das 27. Interfilm Festival

Big Budget und Hirschgeweih


Filmszene: "Ridicule"

Filmszene: "Ridicule"

Film ist nie nur die Summe seiner erzählten Geschichten – Film, und vor allem Filmfestivals sind immer auch kulturelles Ereignis, intermediales Event und gebündelte Zustandsbeschreibung, die sich auf globales, gesellschaftliches und politisches Leben konzentriert. An der diesjährigen 27. Ausgabe des Interfilm-Kurzfilmfestivals kann man den Status quo der internationalen Film- und Festivalszene besonders gut ablesen: Von 7000 eingereichten Kurzfilmen zeigt das Festival vom 15. bis zum 20. November eine Auswahl von 500 Filmen in 50 Programmen.

Feste Größen sind dabei der Deutsche und der Internationale Wettbewerb, die mit aufrüttelnden Schwergewichten aufwarten, wie dem 23-Minüter „Raju“ (Max Zähle), der im Deutschen Wettbewerb im Programm „Kinderspiel“ zu sehen ist: Wotan Wilke Möhring und Julia Richter spielen ein kinderloses deutsches Ehepaar, das nach Kalkutta fährt, um dort ein indisches Waisenkind zu adoptieren. Als sie entdecken, dass ihr neuer Adoptivsohn Opfer eines professionellen Kidnapping-Rings ist, der sein Geld mit zahlungswilligen Westeuropäern macht, müssen die beiden sich zwischen ihren eigenen Bedürfnissen und dem Wohl des Kindes entscheiden. Neben zahlreichen Aufführungen auf internationalem Parkett gewann der Kurzfilm 2011 bereits den Studentenfilm-Oscar.

Auch im Dokumentarfilmwettbewerb sind es vor allem politische Themen, die sich gerade in der Kurzform besonders intensiv erzählen lassen. So hat der Regisseur Àlex Lora Cerćos einen obdachlosen, kambodschanischen Schachspieler in New York porträtiert, der als Kind von den Amerikanern im Zuge eines Waisen-Hilfsprogramms nach Amerika geholt wurde. Die verschiedenen Stationen eines Schachspiels geben Cerćos´Film „Odysseus‘ Gambit“ die Struktur vor, in dem der Protagonist über seinen unfreiwilligen Aufenthalt in den USA philosophiert. Mit den Themen Vorurteile, Migration und sexuelle Orientierung gehen die Programme unterschiedlich um, allen gemeinsam ist aber der feine, hintergründige Humor. Gut zu sehen in der Knet-Animation „Heimatland“ (Fabio Friedli , Marius Portmann, Andrea Schneider, Elena Madrid), in der die Tulpen eines Schweizer Urgesteins plötzlich zu einem imaginären Muezzin beten oder in dem absurden Kurzfilm „Ridicule“ (im Wettbewerb „Konfrontationen“) der Franzosen Frédéric Perrot und Audrey Najar, in dem ein Mann mit einem festgewachsenen Hirschgeweih auf dem Kopf auf einmal zum Trendsetter einer neuen Mode wird.

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