Das 27. Interfilm Festival

Big Budget und Hirschgeweih


Filmszene: "Little Miss Neukölln"

Filmszene: "Little Miss Neukölln"

Der Länderschwerpunkt Schweiz „Heidi revisited“ zeigt neben „Heimatland“ auch den schweizer Kurzfilm „Cappuccino“ (Tamer Ruggli): Eine Coming-out Geschichte eines Jungen, in der nicht nur die neu entdeckte Liebe zu einem Klassenkameraden im Vordergrund steht, sondern auch das Outing vor seiner dominanten Mutter, die jeden Abend auf Männerfang geht. Der Vergleich zwischen dem Geschmack von Sperma und Milchkaffee gibt der ansonsten klassisch inszenierten Geschichte eine pikante Note. Ebenfalls voller Selbstironie folgt der Film „Little Miss Neukölln“ (Stepan Altrichter) einem türkischen Mädchen aus dem Berliner Migrationsbezirk. Die zehnjährige Aleyna möchte Tänzerin werden und fiebert einem großen Auftritt entgegen, bei dem sie ihr Talent zur Bauchtänzerin vorführen kann. Der Film läuft sowohl im eigenständigen Kinderfilmfestivalprogramm Kuki als auch im Programm „Delikatessen“.

Ernster geht es zuweilen bei dem parallel im Netz stattfindenen Viral Video Award zu. Dort sind Filme nominiert, die sich mit Themen wie Klimaschutz, Artensterben und Demokratie auseinandersetzen. Neben informativen und anspruchsvoll gemachten Animationen, die beispielsweise über die Überfischung der Meere aufklären, ist es vor allem ein verwackelter Handymitschnitt der ägyptischen Revolution, der unter die Haut geht. „Take what’s yours“ (Tamer Shaaban) ist ein Paradebeispiel dafür, dass Virals, die ursprünglich als E-Mail-Gimmick zum Weiterleiten gedacht waren, eine ganz neue politische Dimension bekommen. Noch bis zum 17. November kann man dort für seinen persönlichen Favoriten stimmen. Dass Kurzfilm aber nicht immer nur die kleinen, problemorientierten Lehrstücke sein müssen, zeigen Filme wie „Bloody Christmas 2“ (Michel Leray), ebenfalls im Programm „Delikatessen“.

Filmszene: "Bloody Christmas 2"

Filmszene: "Bloody Christmas 2"

Das Horrormovie ist wie eine Big-Budget-Produktion aufgezogen, mit einem perfekt auf die Spannungspunkte komponierten Soundtrack, exzellenten Schauspielern, denen man Angst und Schrecken von der ersten bis zur letzten Sekunden abnimmt. Und naturgemäß mit einer Bestie versehen, die alles abmetzelt, was ihr in den Weg kommt: Ein wildgewordener Zombie-Weihnachtsbaum infiziert seinen bereits aufgestellten und geschmückten Kollegen in der Stadt. Kurzfilm, das zeigt das Programm des zweitgrößten Berliner Filmfestivals, hat längst eigene Wege gefunden, neben seinen großen Brüdern zu bestehen. Er fädelt sich elegant in die globalen, kulturellen und politischen Diskurse ein und generiert deren Inhalte neu.

Cosima M. Grohmann

27. Interfilm Festival, 15. bis 20 November, diverse Orte, Programm unter www.interfilm.de

INTERVIEW MIT FESTIVAL-PRODUZENT ALEXANDER STEIN

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