Festivalbericht Afrikamera 2011

Vage Zukunft


Filmszene: "Hazalambo"

Filmszene: "Hazalambo"

Das diesjährige Afrikamera zeigte eine Werkschau an überwiegend aktuellen afrikanischen Produktionen. Sehr junge Filme, die den Eindruck vermittelten, dass sich Filmemacher des Kontinents mit ihren Arbeiten nicht wirklich jenseits von Gegenwart und Zukunft bewegen. Die Reflexion der afrikanischen Gesellschaften im 21. Jahrhundert gelang dem ein oder anderem Film vortrefflich. Ein eigenständiges, postkoloniales, afrikanisches Kino findet wohl so langsam seinen Weg.

Leider fehlen – wie so oft in der Filmbranche – finanzielle Mittel, um Grundsätzliches wie Equipment zu leihen oder zu kaufen. Doch genau das lässt auch Raum für Innovationen. Unter den Kurzfilmen aus Madagaskar waren etwa Animationen zu sehen, die auf dem Inselstaat mit Computerprogrammen gedreht wurden, die frei zugänglich aus dem Internet stammen. Gerade der Animationsfilm „Hazalambo“ stand etwa europäischen Animationen technisch in nichts nach. Thematisch ein Lehrstück, da ein Buschbewohner zwar einen Vogel mit seinem Speer, allerdings kein Schwein erlegen kann und sich alsbald mit einem Gewehr bewaffnet zwar an der Sau erfreuen kann, sich aber auch seiner Habe entledigen muss. Ein Buschfeuer, von ihm selbst unabsichtlich ausgelöst, da er nach der Jagd genüsslich mit Zigarette einschläft, zerstört seine Hütte.

Ebenso zeigt der aus Ruanda stammender Kurzfilm „Alphonses Bike“ wie einfallsreich Afrikaner mit dem umgehen und das nutzen können, was ihnen zur Verfügung steht. Alphonses Maniriho hat quasi aus einem Berg Müll ein Fahrrad-Radio – man kann auch sagen ein Radio-Fahrrad – gebaut, dass ihm Fahrgäste garantiert, da er es auch als Taxi nutzt. Ein Fahrrad, bei dem die Elektronik des Radios so sehr mit der Mechanik des Rades verquickt ist, dass jeder Ingenieur das Staunen bekommt. Dabei – und das ist vielleicht der spannendste Aspekt –  kann Alphonses nicht mal lesen.

Das gerade Ruanda sehr an einer positiven Zukunft orientiert ist, zeigte sich nicht nur dadurch, dass sich die Filmbeiträge thematisch nicht mit der Vergangenheit oder mit Vergangenheitsbewältigung beschäftigen. Auch lässt der Kommentar von Jaques Rutabingwa, technischer Direktor des Rwanda-Film-Festivals, „Ruanda schaut nach vorn„, den Schluss zu, dass Ruandas Filmschaffende in ihren Arbeiten den Fokus auf den Neuaufbau des Landes legen. Die im Publikum aufkommende Frage, warum die gezeigten Filme aus Ruanda nicht deutlicher auf den Völkermord und die heute daraus resultierenden Folgen für die ruandische Bevölkerung eingehen, und wiederum das Bedauern anderer Redner darüber, dass dieses facettenreiche Land nur auf die Geschichte reduziert wird, offerierte die kontroverse Perspektive der Zuschauer auf den cineastischen Anspruch, den dieses Landes hat.

Wie stark der Wandel einer Gesellschaft filmisch präsentiert werden kann, ließ „Les Secrets“ von Raja Amari (eine Co-Produktion Tunesiens, Frankreichs, Algeriens und der Schweiz) erkennen. Etwas vom Arabischen Frühling schwingt in diesem Film mit. Die aufeinanderprallenden Welten einer archaischen und einer modernen Lebensweise verkörpern hier die beiden Protagonistinnen Aicha (Hafsia Herzi) und Salma (Rim El Benna). Aicha lebt mit ihrer Schwester und Mutter in den Katakomben eines verlassenen Palastes auf dem Land. Ein junges Paar aus der Stadt nutzt das Gebäude an Wochenenden für Technopartys und Schäferstündchen. Aicha beobachtet das Treiben der Jugendlichen und sehnt sich, von der Neugier geweckt, nach einem Leben wie es Salma führt. Der starke Drang in Aischa nach einem modernen, westlichen Lebensgefühl mündet in einem Gewaltausbruch: Mutter und Schwester ermordet sie kaltblütig, um glücklich und befreit vom alten Leben durch die Stadt zu ziehen.

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