Poetic Encounters

Poesiefilmer und Lieblingsdichter


Dreharbeiten in Kreuzberg (v.l.n.r.): Majewski, die Schauspieler Hermann Eppert und Leonie, Kameramann Yori Fabian Majewski, Foto: Verena Manhart

Dreharbeiten in Kreuzberg (v.l.n.r.): Maciek Majewski, die Schauspieler Hermann Eppert und Leonie Parusel, Kameramann Yori Fabian, Foto: Verena Manhart

„Ein bisschen verrückt“ findet auch Maciek Majewski den Plan, in so kurzer Zeit einen Film zu drehen. „Aber wenn du mehr Zeit hast, entwickelst du auch mehr Ideen und wartest auf ideale Bedingungen, das ist nicht unbedingt immer besser.“ Der Filmemacher aus Warschau sitzt mit Dichter Norbert Hummelt und Schauspieler Hermann Eppert bei „Schrottis Inn“, einer kleinen, authentischen Currywurst-Bude in Kreuzberg. „Mein Kameramann Yori meinte, Currywurst sei echt berlinerisch und der Imbiss hier gefiel uns am besten“, sagt Majewski grinsend. „Hier ist es nicht so schicki-micki, da besteht keine Gefahr, dass es nachher wie ein Werbespot rüberkommt.“ Schrotti wird heute noch Überstunden machen, denn das kleine Team – Majewski, Kameramann Yori Fabian und zwei Schauspieler – beginnen erst bei Einbruch der Dunkelheit mit den Dreharbeiten. Dafür wird ordentlich Kaffee und Currywurst geordert, eine Portion mit Pommes schafft es sogar vor die Kamera.

Majewski, der 2008 mit einem animierten Poesiefilm zum Zebra geladen wurde, freut sich über seinen erneuten Einsatz bei dem Festival. „Bevor ich das erste Mal hier war, habe ich mein eigenes Interesse am Poesiefilm immer als etwas seltsam empfunden“, sagt er rückblickend. „Doch so komisch bin ich wohl doch nicht – ich war geradezu schockiert, als ich beim ZEBRA gesehen habe, wie viele tolle Dinge hier entstehen, basierend auf Gedichten.“ Als ihm eine Reihe Berliner Dichter vorgeschlagen wurde, zögerte er nicht lange. „Norberts Poesie hat mich sofort stark beeindruckt“, begründet er seine Wahl. „Seine Sprache ist sehr emotional, nicht so intellektuell und die Auswahl seiner Worte ist besonders schmackhaft.“ Norbert Hummelt freute sich über die Einladung zum Workshop und schickte Majewski ein Exemplar „Berlin Fresco“, ein Band mit ausgewählten, ins Englische übersetzte Gedichte. Gleich mehrere Texte faszinierten und berührten den polnischen Filmemacher stark. Majewski entschied sich schließlich für „syrinx“, weil er darin seine eigenen Erfahrungen wiederfand. „Es gibt andere Gedichte von mir, die ich auf Lesungen deutlich öfter vortrage“, sagt Hummelt, den die Wahl überraschte, aber umso neugieriger macht. Schließlich ist es der erste Film, der basierend auf einem seiner Texte entsteht. Auch er lässt dem Filmemacher, ähnlich wie Bleutge, völlig freie Hand, hat mit Majewski aber detailliert an der Übersetzung gearbeitet. Besonders die Zeile „den stummen Vorwurf hieltest du mir vor“ war ursprünglich so übersetzt, dass eine völlig andere Bedeutung entstand. Hier wurde gemeinsam mit den Schauspielern an einer neuen Variation gearbeitet, bis alle zufrieden waren. „Mein Hauptziel beim Poesiefilm ist es, dem Gedicht etwas hinzuzufügen und gleichzeitig nicht gegen die Hauptintention des Autors zu arbeiten“, erklärt Majewski. „Mal schauen, ob das diesmal aufgeht.“

Bei dem dritten Team lief alles ganz anders. „Lukasz Twarkowski und der von ihm gewählte Dichter Christian Filips haben erst beim Dreh gemeinsam ein Gedicht entwickelt“, erzählt Antje Grötzsch. Beim Dreh des im Entstehen begriffenen Gedichts „Algorithmensch. Dunkelraum“ im Apollo Splash Club sprang Filips selbst als Schauspieler vor die Kamera. So unterschiedlich wie die Zusammenarbeit der Teams versprechen auch die drei Filme zu werden. „Ein Gedicht braucht kein anderes Medium“, bringt Norbert Hummelt es auf den Punkt. „Aber es kann etwas tolles Neues entstehen, wenn man es mit Film, Theater oder Musik mischt.“ Die spannenden Ergebnisse der „Poetic Encounters“ werden am letzten Festivaltag des ZEBRA Poetry Film Festivals im Beisein aller Künstler präsentiert und diskutiert.

Verena Manhart

Deutsch-polnischer Filmworkshop „Poetic Encounters“ im Rahmen des 6. Zebra Poetry Film Festivals, 21. Oktober 2012, 18.15 Uhr, Babylon Mitte, Saal 2, Eintritt: 7 Euro, Infos zum Workshop: www.zebra-award.org

Parusel
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