Hommage und Goldener Bär für Claude Lanzmann


Claude Lanzmann während der Dreharbeiten zu "Shoa", Auschwitz 1981 Quelle: Claude Lanzmann

Claude Lanzmann während der Dreharbeiten zu "Shoa", Auschwitz 1981 Quelle: Claude Lanzmann

Claude Lanzmanns Film „Shoah“ (1985) ist als epochales Meisterwerk der Erinnerungskultur in die Filmgeschichte eingegangen. Der neuneinhalbstündige Dokumentarfilm über den Völkermord an den europäischen Juden wurde unter anderem 1986 im Forum der Berlinale gezeigt und mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Die Vorbereitungen und Filmarbeiten zu Shoah dauerten nahezu zwölf Jahre. Lanzmann zeigt in diesem Werk ausschließlich Interviews mit Überlebenden und Zeitzeugen der Shoah, darunter auch Täter, sucht die Orte der Vernichtung auf und vergegenwärtigt den unermesslichen Schrecken des Völkermords im Nationalsozialismus.

Lanzmann, 1925 als Sohn jüdischer Eltern in Paris geboren, kämpfte in der Résistance, studierte in Frankreich und Deutschland Philosophie und hatte 1948/49 eine Dozentur an der neugegründeten Freien Universität Berlin inne. Er war einer der aktiven Unterstützer der algerischen Unabhängigkeitsbewegung Anfang der 60er Jahre. Seine Auseinandersetzung mit der Shoah, dem Antisemitismus und den politischen Freiheitskämpfen durchziehen sein filmisches wie journalistisches Schaffen.

Der Regisseur arbeitete bis Anfang der 70er Jahre vor allem als Journalist und ist bis heute Herausgeber der von Jean-Paul Sartre begründeten Zeitschrift „Les Temps Modernes“. In den 60er Jahren gehörte er auch zum Kreis der Intellektuellen um Sartre und Simone de Beauvoir. 1972 entstand seine erste filmische Arbeit, die Dokumentation „Pourquoi Israël“ („Warum Israel„, in der er die Notwendigkeit der Staatsgründung Israels aus jüdischer Perspektive darstellt. In dem Film „Tsahal“, der 1995 im Berlinale-Forum lief, porträtiert er Frauen und Männer, die in der israelischen Armee dienen. „Sobibor, 14 octobre 1943, 16 heures“ („Sobibor, 14. Oktober 1943, 16 Uhr„, Frankreich 2001) über den Aufstand im Vernichtungslager Sobibor in Polen wurde 2002 ebenfalls im Berlinale-Forum vorgestellt. Zu Claude Lanzmanns Filmschaffen gehören weitere Werke, die sich mit dem Völkermord an den europäischen Juden und mit den Zeitzeugen auseinandersetzen.

Claude Lanzmann ist einer der bedeutendsten Protagonisten des politisch-geistigen Lebens unserer Zeit. Unter dem Titel „Der patagonische Hase“ („Welt“-Literaturpreis 2010) veröffentlichte er 2009 seine Erinnerungen, in denen er literarisch eindrucksvoll seine persönliche und politische Lebensgeschichte erzählt und unter anderem den jahrelangen Entstehungsprozess seines filmischen Meisterwerks Shoah schildert.

Die Berlinale ehrt Claude Lanzmann für sein außergewöhnliches Schaffen mit dem Goldenen Ehrenbären. „Claude Lanzmann ist einer der großen Dokumentaristen. In seiner Darstellung von Unmenschlichkeit und Gewalt, von Antisemitismus und seinen Folgen hat er eine neue filmische wie ethische Auseinandersetzung geschaffen. Wir fühlen uns geehrt, ihn ehren zu dürfen“, sagt Berlinale-Direktor Dieter Kosslick. Anlässlich der Preisverleihung wird „Sobibor, 14. Oktober 1943, 16 Uhr“ gezeigt. Im Rahmen der Hommage an den Regisseur wird sein Gesamtwerk bei den 63. Internationalen Filmfestspielen Berlin präsentiert. Verbunden damit ist die Erstaufführung der restaurierten und digitalisierten Fassung von „Shoah„.

WEITERLESEN:

Die Retrospektive der 63. Berlinale

Won Kar Wai wird Jurypräsident