Interview mit Regisseur David Wnendt zu „Feuchtgebiete“

"Eine Frau muss sich nicht schlecht fühlen, nur weil sie gerne und oft Sex hat."


Regisseur David Wnendt mit seiner Hauptdarstellerin Carla Juri am Set von "Feuchtgebiete". (C) Peter Hartwig / Majestic

Regisseur David Wnendt mit seiner Hauptdarstellerin Carla Juri am Set von "Feuchtgebiete". (C) Peter Hartwig / Majestic

Das Buch enthält die ganze Bandbreite von dem, was man mit seinen Körperflüssigkeiten und -öffnungen alles so anstellen kann. Nach welchen Kriterien haben Sie diese Szenen bei der Mitarbeit am Drehbuch gestrichen und hervorgehoben?
Die grundlegende Marschrichtung war, dass das Buch nicht nur auf die Ekel- und Sexebene reduzierbar ist. Daraus folgte dann, dass zwar die Nacktheit der Schauspieler erforderlich war, man aber auf echte Sexszenen gut verzichten konnte. Das war meiner Meinung nach für das Verständnis des Stoffes nicht nötig. Die Kamera sollte einfach nur den natürlichen Umgang mit Nacktheit zeigen, dabei aber auch humorvoll bleiben und nicht krasser als das Buch erscheinen. Für die Szene, in der das Sperma der Pizzafahrer über die Pizza fliegt, haben wir allerdings auch echte Pornodarsteller genommen.

Die Schweizerin Carla Juri ist als Schauspielerin ein relativ unbeschriebenes Blatt. Wie haben Sie beiden sich die intimen Szenen, die sie als Helen spielt, erarbeitet?
Wir haben schon beim Casting ganz transparent gemacht, welche Szenen von Carla erwartet werden und so ein Vertrauensverhältnis geschaffen. Später ist das ganze Team dann zusammen in die Sauna gegangen, damit Carla uns auch nackt sieht. Dass ich als Regisseur immer auch etwas von mir hergebe, wenn ich mit einer Schauspielerin arbeite, finde ich selbstverständlich. Es ist doch fatal, wenn ein Schauspieler das Gefühl hat, er gibt alles von sich und der Regisseur gibt nichts zurück.

Starke und vielschichtige Frauenfiguren scheinen Ihnen zu liegen, schon die Protagonistin Marisa (gespielt von Alina Levshin) in ihrem preisgekrönten Abschlussfilm „Kriegerin“ war ja eine sehr komplexe Figur. Wagen Sie sich in Bereiche der Weiblichkeit vor, in die sich andere nicht trauen?
Ich habe „Feuchtgebiete“ eigentlich nie als Frauenbuch wahrgenommen, im Gegenteil, ich erkenne darin viele Sachen wieder, peinliche Situationen, Dinge, die in Beziehungen oder beim Sex passieren können. In dem Stoff, der für mich auch sehr viel Erotisches mitbringt, finden sich also auch Männer wieder. Aber natürlich wünsche ich mir, dass es in Deutschland mehr Filme mit starken Frauenfiguren gibt. Weibliche Sexualität sollte im Film einfach wieder als etwas ganz Normales gezeigt werden, ohne dass die Protagonistin hinterher einen Preis dafür zahlen muss. Eine Frau muss sich nicht schlecht fühlen, nur weil sie gerne und oft Sex hat. Im Kern haben die empörten Reaktionen, die es ja durchaus auf das Buch und seine Verfilmung gab, für mich deshalb auch etwas Frauenfeindliches.

Die Fragen stellte Cosima M. Grohmann.

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David Wnendt war 2011 zu Gast bei unserem Tischgespräch zur Wahl im Berliner Senat und diskutierte mit Alice Ströver (Grüne), Frank Zimmermann (SPD) und Clemens Stolzenberg (Down Under Berlin)

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