Pablo Berger über seinen Film „Blancanieves“

"Ich besitze sehr viel Ausdauer"


Foto: AV Visionen

Pablo Berger gehört seit seinem Überraschungserfolg "Torremolinos 73" (2003) zur ersten Garde des spanischen Films. Fotos: AV Visionen

Pablo Berger muss ein Dickschädel sein. Ein ziemlich sympathischer. Denn als wir den spanischen Regisseur in der vergangenen Woche im Rahmen des Spanischen Filmfestivals zum Interview trafen, begegnete uns ein aufgeschlossener, ruhiger und lausbübisch dreinblickender Regisseur, der insgesamt acht Jahre an seinem Film gearbeitet hat. Schaut man sich „Blancanieves“ an, weiß man spätestens nach der ersten Minute, warum das so sein musste. Bergers freie Schneewittchen-Adaption ist ein Stummfilm. Schwarzweiß. Und er war von Anfang an als Big-Budget-Produktion geplant. Wer finanziert so ein risikoreiches Projekt? Wir haben uns mit dem Regisseur über seinen Film, Krisen und das europäisches Kino unterhalten.

Herr Berger, ihr Film „Blancanieves“ ist nicht nur eine ungewöhnliche Schneewittchen-Adaption. Er stellt auch eine Frau, eine Stierkämpferin, ins Zentrum des Geschehens. Was hat Sie daran interessiert?
Mein Film spielt in den 1920ern.  Stierkampf war damals der populärste Sport und das einzige große Event, das es zu dieser Zeit gab. Es gab keinen Fußball. Keine Filmstars. Keine berühmten Sänger, also all das, was wir heute Populärkultur nennen. Für mich ist Filmemachen eine Form der Zeitreise und ich wollte etwas über die 20er Jahre in Spanien erzählen. Die Idee zu „Blancanieves“ entstand durch ein Foto, auf dem stierkämpfende Zwerge zu sehen sind. Dieses kuriose Bild hat sich in meinem Kopf festgesetzt und ich habe dann Schneewittchen in dieses Bild projiziert.

Mögen Sie Stierkampf?
Nicht unbedingt. Ich habe mir hin und wieder Kämpfe angeschaut. Ich kenne mich da aber nicht aus. Ganz im Gegensatz zu Fußball.

Ihr Film ist schwarzweiß. Es ist ein Stummfilm. Er basiert, wenn auch lose, auf einem Märchen. Hat man Sie nicht für verrückt erklärt,  so einen Film drehen zu wollen?
Fast alle, denen ich mein Skript zeigte, haben gedacht, ich sei verrückt. Die meisten sind beim Lesen auch nicht über die erste Seite hinaus gekommen. Dementsprechend lange hat es gedauert, einen Produzenten zu finden, der an mich geglaubt hat. Es hat insgesamt acht Jahre gedauert, diesen Film zu machen.

Gab es einen Punkt, an dem Sie die Idee zu diesem Film begraben wollten?
Ich weiß ehrlich gesagt nicht genau, ob ich Talent habe. Aber ich besitze sehr viel Ausdauer! Ich bin wie ein Tanklaster, der nicht zu stoppen ist, wenn er erst einmal Fahrt aufgenommen hat. Ich wollte diesen Film unbedingt machen und ich wusste, dass es die richtige Zeit für so eine Produktion war. Es ist ja nicht besonders einfallsreich, einen Schwarzweißfilm zu drehen.  Guy Maddin und Aki Kaurismäki haben einen gemacht. Im Arthouse-Bereich ist das nicht ungewöhnlich. „Blancanieves“ sollte aber ein schwarzweißer Stummfilm für das Mainstreamkino sein. Für ein Publikum, das weder zu Filmfestivals noch in die Kinemathek geht. Ich wusste, dass das klappen würde, wenn ich eine mitreißende Story erzähle, die von guten Schauspielern getragen wird.

Haben ihre Schauspieler vor dem Dreh Bedenken geäußert?
Sie waren am Anfang sehr ängstlich. Maribel Verdú fragte mich vor den Aufnahmen: „Pablo, wie werden wir spielen? Müssen wir Emotionen vortäuschen?“ Ich habe sie aber schnell beruhigt. Die Darstellung musste natürlich dramatisch sein, gerade die von Maribel Verdú, die die böse Stiefmutter spielt. Meine Referenz war Hollywood. Ich wollte stilisiertes Schauspiel, aber kein Overacting.

Wie haben Sie sich auf die Dreharbeiten vorbereitet?
Ich bin ein Filmfreak und schaue überall und immer Filme. Die wirklich großen sind in der Stummfilmära entstanden. Ich habe diese Zeit sehr genau studiert. Aber ein Stummfilm ist im Grunde nichts Besonderes, denn wir vergessen, dass in der Geschichte des Kinos die meisten großen Szenen ohne Ton auskommen, selbst bei Blockbustern wie „Wall-E„. In der ersten halbe Stunde wird dort kein Wort gesprochen. Es gibt also keinen großen Unterschied zwischen einem Stummfilm und der Stille in einer Szene.

Man kann also sagen, der Stummfilm ist noch immer relevant für das Kino?
Ja, das wird er immer sein. Was das Kino zu einer Kunstform macht, ist die Präsenz der Kamera, die Form, wie die Geschichte erzählt wird. Regisseure vergessen das ab und an. Das ist die Essenz des Kinos. Zwischen dem Regisseur und der Geschichte befindet sich die Kamera. Die hat verschiedene Linsen, sie bewegt sich, man schneidet durch sie den Film. Die Kamera ist also ein gesetzter Protagonist. Ein Element, weit wichtiger als der Ton.

Sie haben acht Jahre an Ihrem Film gearbeitet. Hat die Finanzkrise Ihre Produktion getroffen?
Mein Film war so oder so gegen jede Norm. Für mich war die Krise von Anfang an da. (lacht) Die Finanzierung ist über Jahre gewachsen. Stück für Stück – und mit ihr die Absicherungen. Die Finanzkrise ist jetzt und betrifft insofern meinen nächsten Film.

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