Fan Popo zeigt am 21. Juni „Mama Rainbow“ im Berliner xart splitta

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Das klingt, als seien Ihre Filme allesamt Ein-Mann-Produktionen?
Ja, das kann man so sagen, zumindest bisher war das immer so, ich habe immer alles gemacht: Kamera, Schnitt, Ton. Und das häufig auch mit nicht so guter Ausstattung. Während der Dreharbeiten zu „Mama Rainbow“ ist mir meine Kamera in einer Jugendherberge gestohlen worden, dann musste ich mit einer Spiegelreflex weiterdrehen… Da ist das mit dem Ton wirklich nicht gut geworden. Meine Bildaufnahmen werden öfter kritisiert, sie seien nicht schön, nicht künstlerisch genug; dass ich dafür keinen Blick hätte oder nicht so sehr darauf achten würde. Letzteres stimmt vielleicht auch.

Dabei haben Sie sogar an der berühmten Beijing Film Academy studiert?
Ja, aber ich habe Drehbuch studiert, nicht Kamera. Tatsächlich hatte ich auch Kurse im Dokumentarfilm, aber die waren morgens, da habe ich immer geschlafen [lacht]. Aber noch mal zu den Bildern: Ich muss sagen, ich mache Dokumentarfilme, weil mir die Geschichten und Menschen am Herzen liegen. Das ist mir wichtiger als tolle Aufnahmen.

Mama Rainbow“ ist ein solcher Film – sehr nah bei den porträtierten Menschen und ihren Geschichten. Sie zeigen sechs Mütter und ihren Umgang mit der Sexualität ihrer eigenen queeren Kinder. Wie kamen Sie auf die Idee, die Reaktionen und Gedanken der Mütter in den Fokus zu stellen?
2009 habe ich „New Beijing, New Marriage“ gedreht. Der Film zeigt ein Männerpaar und ein Frauenpaar – eigentlich Aktivist_innen – die am Valentinstag ihre Hochzeitsfotos auf der berühmten Qianmen-Straße in Peking machen lassen. Damals haben wir viele Gespräche mit Leuten auf der Straße geführt und sie gefragt, wie sie zu ‚Homosexualität‘ stünden. Die meisten sagten, dass sie „kein Problem“ damit hätten – aber als wir dann fragten, ob das auch so wäre, wenn ihre eigenen Kinder queer seien, verzogen viele ihre Gesichter. Später habe ich „The Chinese Closet“ gedreht, da geht es bereits um das Coming Out von queeren Menschen in ihrer Familie.

Mama Rainbow“ war dann gewissermaßen der nächste Schritt?
Genau. Als meine Filme auf einer Konferenz von PFLAG China [Parents, Families and Friends of Lesbians and Gays] gezeigt wurden, fragte der Direktor mich danach, ob ich nicht mal einen Film über die Eltern von Queers machen möchte. Ich fand die Idee sofort großartig! Tatsächlich war das Ganze aber schwieriger als gedacht. So sind nun eigentlich alle Mütter, die ich in „Mama Rainbow“ zeige, auch Mitglieder bei PFLAG. Dabei hätte ich gerne Mütter gezeigt, die viel mehr Probleme mit ihren Kindern hatten, vielleicht heute noch haben – aber es war schwierig, Kontakt zu ihnen zu gewinnen – und dann wollten sie nicht Teil eines solchen Filmprojekts werden! Außerdem hätte ich gerne Mütter gezeigt, die im Nordwesten Chinas leben oder auf dem Land, wo die Situation noch einmal eine ganz andere ist… Die Mütter in „Mama Rainbow“ leben alle in den großen Städten an der Ostküste Chinas.

Papa Rainbow“ folgt auf „Mama Rainbow

Und was ist mit den Vätern?
Die wollte ich zeigen, aber es war viel schwieriger, akzeptierende Väter von Queers zu finden, erst recht für so ein Projekt. Für meinen nächsten Film – der dann „Papa Rainbow“ heißt und noch dieses Jahr rauskommt – ist mir das endlich gelungen. Ich werde drei Väter von schwulen Männern, zwei Väter von lesbischen Frauen und einen Vater von einem frau-zu-mann-Transmenschen zeigen. Noch besser ist, dass die alle entweder in kleinen Städten leben, im Nordwesten Chinas oder auf dem Land. Außerdem arbeite ich für „Papa Rainbow“ zum ersten Mal mit einem professionellen Kameramann zusammen, das ist ganz ungewohnt [lacht].

Warum gibt es eigentlich zwei Versionen von „Mama Rainbow“ – eine 30-minütige und eine 80-minütige?
Viele Filmfestivals akzeptieren keine Filme, die auch online frei verfügbar sind. Wir wollten aber zumindest Ausschnitte online stellen; nun gibt es also einen Kurzfilm. Einige Menschen haben mir sogar erzählt, dass sie die kürzere Variante genutzt haben, um sich bei ihren Eltern zu outen. Die Langversion ist vor allem für Filmfestivals, die offline stattfinden. Einige der Mütter wollten anfangs nicht, dass sie in dem Film online, also sozusagen für jeden Menschen, zu sehen sind – die kommen in der 30-Minuten-Version nicht vor. Inzwischen gibt es die Langversion aber doch online, auf Indieflix, also mit Bezahlschranke – auch, um Geld für weitere Filme zu sammeln. Dass die Langversion jetzt online sein darf, zeigt, was für tolle Fortschritte wir bereits mit dem Film erzielt haben: Inzwischen sind nämlich alle Mütter damit einverstanden, dass sie online zu sehen sind.

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