Kamerafrau Karina Kleszczewska im filmPolska-Interview

Kleszczewska: "Manchmal braucht das Publikum eine Schock-Therapie"



Aber Regisseurin wollten Sie nie werden?
Nein, daran hatte ich kein Interesse. Menschen, die Bilder machen, haben eine ganz andere Vorstellungskraft als die, die Geschichten erzählen. Regisseure sind eher Psychologen: sie spielen mit den Menschen, mit den Schauspielern, dem Team. Als Kamerafrau zu arbeiten, ist für mich eine viel bessere Position. Ich erschaffe die Bilder, aber muss mich nicht mit den Produzenten oder den Schauspielern rumschlagen (lacht).

Welches Verhältnis haben Sie zu den Regisseuren?
Das ist sehr unterschiedlich. In Polen haben die Kameramänner und -frauen eine sehr starke und wichtige Position. Aber das hängt sicher stark vom Regisseur oder auch vom jeweiligen Kamerakünstler ab. Wenn sich der Kameramann nicht so stark einbringen möchte in den kreativen Part, muss er das nicht. Dann kann er einfach tun, was ihm gesagt wird. Aber ich war nie so. Ich wollte mich schon immer von Anfang bis Ende in den Prozess einbringen.

In einem ihrer Filme „Der unbewegte Beweger“ geht es auch um eine Frau, die von einer Gruppe Männer vergewaltigt wird. Die Geschichte basiert auf einem wahren Fall, der in Polen als Sex-Skandal durch die Medien ging. Warum war Ihnen die Geschichte so wichtig?
In Polen gibt es viele Menschen, die sagen, dass das Mädchen selbst Schuld an der Vergewaltigung sei. Sowas ist totaler Bullshit! Als in unserem Film die junge Frau auf der Polizeistation ist, um die Männer anzuzeigen, wirft man ihr vor, sie habe durch ihre freizügige Kleidung die Tat selbst provoziert. Wir wollten niemanden verurteilen, aber dem Publikum einen Spiegel vorhalten.

In dem Film nutzen Sie eine sehr explizite Bildsprache. Warum?
Wir wollten die Menschen zum Nachdenken bringen. Dafür mussten wir das Publikum durch sehr eindeutige Bilder schocken. Die reale Geschichte ist so gewalttätig, darüber konnten wir keinen netten Film machen. Dabei sieht man die gewalttätigen Szenen gar nicht wirklich. Wir zeigen nur: Da ist ein Mädchen, sie wird vergewaltigt. Der Zuschauer sieht nur eine Nahaufnahme von ihrem Gesicht. Dabei stellen wir die Frage: Wie fühlst du dich, als du die Träne in dem Auge des Mädchens gesehen hast? Ich glaube anders hätte dieser Film nicht funktioniert. Dann wäre er nicht so energetisch.

Die Fragen stellte Mirela Delic.

(Dieser Beitrag entstand im Rahmen des 3. deutsch-polnischen Programms für junge Filmkritiker/innen und -journalist/innen der 11. Ausgabe von filmPOLSKA)

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