BFF on the Road: 37. Ars Electronica in Linz

BFF Off Road: Die wunderschön seltsamen Blüten der Zukunft


Überwältigend! Die 2016er Ars Electronica in Linz. Foto: Ars Electronica Intel Corporation

Überwältigend! Die 2016er Ars Electronica in Linz. Foto: Ars Electronica Intel Corporation

Für alle, die sich dann immer noch nicht abgeholt fühlten, hielt die Ars Electronica ein Filmprogramm, einen Biomarkt, eine Refugee-Konferenz, eine Maker:Fair und nicht zuletzt eine Konzertnacht bereit. Eine vierstündige Konzertnacht besser gesagt, die neben Ravels „Ma mére l’oye“, Stravinskys „La Sacre du Printemps“ (durch das Bruckner-Orchester interpretiert) auch Performances (Frank-Martin Strauß alias FM Einheit, einst Mitglied der Einstürzenden Neubauten) sowie mit den Musikstücken interagierende Live-Visualisierungen bereit hielt. Und auch die mit Vorfreude erwartete, groß angelegte Drohnen-Aktion „Spaxels 100“, bei der 100 Weltrekord-Drohnen in den Nachthimmel über Linz aufstiegen, um dort eine tanzähnliche Choreografie (und schlussendlich das Intel-Logo des Hauptsponsors) zum Besten zu geben, war für alle Zielgruppen gleichermaßen faszinierend (100,000 schauten in den Himmel). Nur, dass vielleicht Einer den Höchststand der Technik bewunderte, ein Anderer eine besondere Form des Feuerwerksvergnügens genoss und ein wiederum Anderer die Spaxels als aufwendige Werbe- und Rehabilitationsaktion für ein nicht zu Unrecht umstrittenes Luftfahrzeug begriff.

Besonders die Drohnenaktion verdeutlichte die inhaltliche Ausrichtung der Ars Electronica: Sie macht keinen Spagat zwischen Kunst und Kommerz, versucht keine Zerreißproben zwischen Experimentierlabor und Werbeplattform: Stattdessen umarmt Ars Electronica alle Aggregatzustände der Medienkunst gleichermaßen. So konnten neben den Kuka-Robotern die poetische Reduktion einer Akiko Nakayama durchaus bestehen und bestechen: Die Japanerin nennt ihr Performances „Alive Paintings“, und erzeugt diese, indem sie beständig neue Farben und Flüssigkeiten ineinander fließen und reagieren lässt; das getrocknete Bild ist nicht mehr Teil des künstlerischen Vorganges. Ebenso wunderbar: Thom Kublis „Black Hole Horizon“ – aus den drei im Raum aufgestellten Tubas kommen Töne und gleichzeitig große, platzende Seifenblasen. Die von Kubli intendierte Visualisierung von Tönen ist auch gleichzeitig eins von wenigen Objekten, die einen versonnen grinsen ließen.

Für die größte, humorige Unterhaltung während der fünf Veranstaltungstage sorgte sicherlich das als beste „Interactive Art“ ausgezeichnete Projekt „Can You Hear Me?“ der beiden Schweizer Christoph Wachter und Mathias Jud. Wachter und Jud hatten als Reaktion auf die NSA-Affäre in Berlin auf der schweizerischen Botschaft gut sichtbare Antennen platziert und ein unabhängiges W-Lan-Netzwerk eingerichtet, über das alle User frei kommunizieren konnten. Die launige Präsentation der Gewinner machte aber noch etwas anderes deutlich: medienkritische Positionen waren bei der Ars Electronica spärlich gesät. Es gab schlicht wenige Kunstwerke, die den systemischen Einsatz bestimmter Technologien und Medien oder andersherum die individuelle Abhängigkeit von technologischen Systemen oder Medien thematisierten und es dabei nicht bei einer formelhaften, allgemein gehaltenen „Systemkritik“ beließen. Ein definitiver Wermutstropfen in einem sonst so vielfältigen Programm, der einen manchmal kurz zweifelnd verharren ließ. Aber dann ging man einen Raum weiter, und schon performten die Robohons (eine sackotaschengroße Kreuzung aus Roboter und Smartphone) wieder einen ihrer lustigen Tänze und projizierten dabei Fotos an die Wand – und der Zweifel musste sofort wieder dem faszinierten Staunen weichen.

Marie Ketzscher

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