Interview mit Maria Dragus und Ella Rumpf über „Tiger Girl“ von Jakob Lass

"Tiger Girl"-Interview: Mädchenfreundschaft mit Baseballschlägern


Bei der Premiere im Berliner Zoo Palast am 20. März - Selfie mit Popcorn: Ella Rumpf, Jakob Lass und Maria Dragus (v.l.n.r.). © 2017 Constantin Film Verleih GmbH

Bei der Premiere im Berliner Zoo Palast am 20. März – Selfie mit Popcorn: Ella Rumpf, Jakob Lass und Maria Dragus (v.l.n.r.). © 2017 Constantin Film Verleih GmbH

Der Film legt ein unglaubliches Tempo vor, wird getragen von einem starken Soundtrack und enthält einige sehr witzige Szenen, aber eben auch extrem brutale und relativ sinnlose Gewaltexzesse, die teils Comic-mäßig überzeichnet werden, teils aber auch unglaublich realistisch aussehen. Wie würdet ihr den Stil von „Tiger Girl“ beschreiben? Welche Message hat der Film?
ER: Man muss sagen, wir haben über zwei Monate gedreht und wussten überhaupt nicht, wie der Stil am Ende sein wird. Gerade der Schnitt hat die Art des Films am Ende total ausgemacht: Die Geschichte ist wirklich auch nochmal im Schnitt gemacht worden.
MD: Wir haben versucht, dadurch, dass Gewalt zwangsläufig immer politisch ist, herauszufinden, was sind die politischen Haltungen in unserer Figur und was sind die politischen Haltungen, die wir dahinter einnehmen möchten.
Wir haben dabei auch viel über den Begriff „Extremismus“ nachgedacht, weil es immer schwierig wird, wenn Lager sich spalten, man in eine Richtung extrem wird, sich nicht mehr gegenseitig zuhört und dann nicht mehr abzubringen ist, die Scheuklappen vorzieht und denkt, man liegt richtig mit dem, was man gerade tut und denkt. Man meint das zu brauchen, diese Sicherheit, um sich sicher zu fühlen, aber eigentlich verschließt man sich komplett und ist gar nicht offen dafür, in den Dialog mit dem Gegenüber zu treten.
ER: Das haben beide Figuren sehr stark. Gerade Tiger, obwohl sie auf den ersten Blick so frei wirkt…

Sie hat ja trotzdem ein starkes Regelkonzept…
ER: Ja, genau! Sie wirkt so frei, aber das ist sie eben gar nicht. Vanilla ist eben so etwas wie das Feuer, das sie angezündet hat. Wie ein Spiegel, den sie plötzlich hat und mit dem sie realisiert: „Oh, wow! Was hab ich damit zu tun?!“ Und hier geht es eben darum, dass jeder für sich reflektiert und sich selbst einmal fragen kann: „Was hab ich eigentlich mit dem Feuer zu tun?“
MD: Wir haben lange darüber nachgedacht, was die Message dahinter sein könnte, haben uns immer wieder mit Jakob, der Produktion und dem Team besprochen. Es war wichtig, einen Konsens zu finden, gerade weil der ganze Film gemeinsam und auf eine ganz besondere Art und Weise entstanden ist.
Jakob hat aber eine relativ klare Vorstellung davon gehabt, was für einen Stil und was für eine Richtung er am Ende haben wollte.

Hat er euch das verraten? – Es wird ja nicht viel herumpsychologisiert in dem Film: Wir wissen nicht, wo die beiden Frauen herkommen und auch nicht wirklich wo sie hingehen…
MD: Wir haben viel darüber geredet. Wir hatten Tage, wo wir viel improvisiert haben und auch Tage, wo wir ein paar intellektuellere Gespräche geführt haben. Dann merkten wir relativ schnell, ob das jetzt die Richtung ist, die er sich wünscht für den Film.
ER: Das stimmt, wir sind sehr oft in sehr philosophische Gespräche, so richtig krasse Dialoge abgedriftet…
MD: Wir haben versucht Haltungen in unseren Figuren einzunehmen, um ihr Verhalten ein bisschen zu erklären.
ER: Unsere Figuren sind wirklich auch im gemeinsamen Prozess entstanden. Wir haben anfangs sehr viel improvisiert, weil wir uns kennenlernen und zuerst spüren mussten, was funktioniert und was funktioniert nicht.

Es gibt am Anfang diese starke Anziehung: Zunächst sieht es so aus, als entwickele sich so etwas wie eine abgefahrene Liebesgeschichte zwischen den beiden Frauen. Tatsächlich ist die Verwandlung von Maggie in ‚Vanilla the Killer‘ eher so etwas wie Tigers Projekt und gerät dann aber ganz schön aus dem Ruder… Diese Entwicklung wird am Ende selbst Tiger zu extrem, die entgegen dessen, was sie anfangs behauptet, so etwas wie einen „Ehrenkodex“ und Grenzen kennt. Wie würdet ihr die Entwicklung der Beziehung dieser beiden Frauen beschreiben?
ER: Ich finde es spannend an diesen beiden Figuren, dass sie sich auch total verpassen, weil sie beide voll auf ihrem Ego-Ding sind. Tigers Interesse für Vanilla ist auch ein egoistisches Interesse.
MD: Und Vanilla wünscht sich einfach nur Zugehörigkeit. Es geht ihr wie uns allen: Wir sind auf der Suche nach Identifikation und Verortung in dieser Welt, nach einem Menschen oder einer Gruppe, zu der man gehört. Leider scheint es jedoch in der menschlichen Natur zu liegen, dabei manche Sachen oder Menschen ausschließen zu müssen, Dinge von sich weg zu schieben – vielleicht auch um sich zu schützen.
Das nehme ich mit aus der Rolle: Letztendlich ist immer wichtig ist, Leute einzubeziehen, einen Dialog anzuregen und sich nicht abzugrenzen.
ER: Schönes Schlusswort. – Fertig!

Die Fragen stellte Tatiana Braun für Berliner Filmfestivals.

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