Festivalbericht vom 2017er Film:ReStored Festival im Kino Arsenal

2. Film:ReStored: Die (digitale) Bewahrung der Filmgeschichte


Dass diese idealistischen Absichten in der praktischen Umsetzung jedoch auch anderen Einflüssen ausgeliefert sein können, berichtete Wim Wenders in einem Werkstattbericht über die Restaurierung seines Frühwerks. So verwendete er in seinem Film „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ (1972) auf dem Soundtrack seine Lieblingslieder, ohne sich Gedanken über eine Klärung der internationalen Musikrechte zu machen. Eine nachträgliche Rechteklärung war unter anderem bei einem Song von Elvis Presley nicht mehr möglich.
Mit den heutigen Möglichkeiten der Tonbearbeitung konnten die betroffenen Lieder entfernt und gegen neu geschriebene Titel ausgetauscht werden. Diese wurden im Stile der ursprünglich verwendeten Musik angefertigt, um den Austausch so unauffällig wie möglich zu gestalten. Wenders formulierte, dass es keine Alternative zu dieser Überarbeitung gegeben habe. Wenn Elvis Presley auf der Tonspur belassen worden wäre, hätte es ganz einfach keine Möglichkeit gegeben, „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ nach rund 40 Jahren im Rahmen der Wim Wenders Stiftung wieder zugänglich zu machen.

Auch die Auswahl der zu restaurierenden Filme unterliegt komplexen Abwägungen. Ernst Szebedits von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung und Ralf Schenk von der DEFA-Stiftung erläuterten, dass nicht nur das kommerzielle Auswertungsinteresse relevant sei, sondern die filmhistorische Bedeutung der Werke ebenfalls von Belang ist.
Dies verdeutlichte sich anhand des 30-minütigen Kurzfilms „DEFA 70“ (1967) des Kameramanns Werner Bergmann, bei dem es sich seinerzeit um die erste 70mm-Filmproduktion in der DDR handelte. Obwohl „DEFA 70“ eine belanglose und aus heutiger Sicht überaus amüsante Nullhandlung zum Ausgangspunkt nimmt, offenbarte die technische Seite des aufwändigen 70mm-Produktionsverfahrens und der ebenso prächtigen 4K-Restaurierung der beschädigten Filmvorlage imposante Bilderwelten. Als kulturelles Artefakt aus der DEFA-Filmgeschichte kann dieses kuriose Kleinod auf der großen Leinwand in neuem Glanz erstrahlen.
Diskussionswürdig blieb der Umgang mit den sogenannten „Vorbehaltsfilmen“ der FWM-Stiftung, zu denen beispielsweise nationalsozialistische Propagandafilme wie „Jud Süß“ (1940) oder „Hitlerjunge Quex“ (1933) gehören. Obwohl restaurierte Fassungen in „kritischen Editionen“ kulturhistorisch von hoher Relevanz sind, lehnt Szebedits dies kategorisch ab. Als Grund nannte er unter anderem mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten derartiger Projekte. Denn die Beauftrage der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) als Geldgeber habe informelle Hinweise herausgegeben, dass Anträge für Vorbehaltsfilme nicht gestellt werden sollen.

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