Heiner Mühlenbrock im Interview zu „Der Essayfilm – sichtbares Denken“

Mühlenbrock: ARTE sollte ein Jahr des Denkens ausrufen


Heiner Mühlenbrock, Initiator von „Der Essayfilm – sichtbares Denken“.

Vom 19. bis 21. Oktober findet mit „Der Essayfilm – sichtbares Denken“ in der Denkerei und im fsk Kino am Oranienplatz zum ersten Mal eine größere Filmveranstaltung in Berlin statt, die sich ausschließlich dem Essayfilm widmet. In Vorträgen und Gesprächen werden dabei Filmemacher*innen, Denker*innen, Kulturkritiker*innen und Medienvertreter*innen wie Klaus Theweleit, Kathrin Becker, Anke Sterneborg, Frédéric Jaeger und andere den Status Quo des Essayfilms und seine Zukunft diskutieren. Außerdem werden in Filmvorführungen unter anderem frühe Videoarbeiten von Godard gezeigt. Teresa Vena sprach mit dem Projektinitiator Heiner Mühlenbrock über die Ziele der Veranstaltung, ARTE und die generelle (Un)lust am Denken.

Herr Mühlenbrock, was verstehen Sie unter Essayfilm genau?
Heiner Mühlenbrock:
Der Essayfilm ist für mich eine Filmform, durch die der Regisseur oder die Regisseurin seine/ihre subjektive Betrachtungsweise eines Themas besonders herausstellt. Das bedeutet, dass der Zuschauer einen Einblick in die Gedankenwelt der Filmemacher*innen bekommt. Dies geschieht häufig über den Ton: Die Reflexionen der Macher*innen erscheinen als Off-Kommentar oder als begleitende Erzählstimme. So werden die Filmemacher*innen selber zum Gegenstand des Films.

Wieso ist nach London gerade Berlin geeignet, eine solche Veranstaltung aufzunehmen?
Es geht hierbei nicht um Berlin. Jede Stadt mit Filminteressierten und vor allem auch das Fernsehen sollten dem Essayfilm einen größeren Raum geben. Wir meinen etwas anderes, wenn wir die Veranstaltung in Berlin verorten, lassen Sie mich das kurz erörtern: Den Slogan „Kultur im Kiez“ haben die Politiker aus meiner Sicht leider missbraucht – es findet kein größerer kultureller Austausch über Institutionsgrenzen hinaus statt. Und bei den Filmemacher*innen speziell in Deutschland und den Entscheidungen der Förderinstitutionen, ich verallgemeinere jetzt mal, fehlt mir oft die Lust und der Glaube ans Denken.

Mit dieser Veranstaltung, die sich dem Essayfilm widmet, haben wir also bewusst andere Orte gewählt. Orte wie die DENKEREI von Bazon Brock und das fsk Kino, die für eine andere Art von Kultur stehen. So betreibt Brock seit über sechs Jahren am Oranienplatz in Kreuzberg einen Ort des öffentlichen Denkens. Privat finanziert, ohne jegliche Fördergelder. Ein Geschenk, das Brock der interessierten Öffentlichkeit macht. Er wollte, dass ich mal endlich einen Film von mir in der DENKEREI zeige und über meine Arbeit spreche. Personen wie unser Gastredner Klaus Theweleit und Gespräche mit Brock haben mich auf die Idee gebracht, mehr als nur einen Filmabend zu gestalten, sondern Filmemacher*innen und DENKER*innen und die interessierte Öffentlichkeit für drei Tage zusammenzubringen, jenseits von den klassischen Orten oder Institutionen, die normalerweise solche Themen aufgreifen.

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