Film:ReStored_03: Fernsehen als attraktive Option und existenzielle Notwendigkeit


Der zweiteilige Essayfilm „Fluchtweg nach Marseille“ (1977) von Ingemo Engström und Gerhard Theuring wurde bei Film:ReStored zum ersten Mal seit seiner Erstausstrahlung im WDR wieder in angemessener Form zugänglich gemacht. Quelle: Deutsche Kinemathek

Die dritte Ausgabe des Film:ReStored Festivals hat sich eingehend mit der Frage beschäftigt, warum Film und Fernsehen immer (noch) in zwei verschiedenen Kategorien gedacht werden. Mit Blick auf das Filmerbe zeigt sich, dass das Fernsehen für viele Filmemacher eine attraktive Option war, um eigene Werke umzusetzen. In einigen Fällen stellte es für Filmschaffende sogar eine existenzielle Notwendigkeit dar. Ohne die Intervention von experimentierfreudigen Fernsehredakteuren hätte es einige Frühwerke bekannter Regisseure wie Christian Petzolds kleines Fernsehspiel „Wolfsburg“ (2003) demzufolge nicht geben können. Aber auch nahezu vergessene Filmschätze aus den Fernseharchiven wie „Engelchen“ (1996) von Helke Misselwitz oder „Shirins Hochzeit“ (1976) von Helma Sanders-Brahms wurden im Rahmen des Festivals in neu restaurierten Fassungen auf die Leinwand des Kino Arsenal gebracht.

Zu den besonderen Entdeckungen zählte der zweiteilige Essayfilm „Fluchtweg nach Marseille“ (1977) von Ingemo Engström und Gerhard Theuring, der zum ersten Mal seit seiner Erstausstrahlung im WDR wieder in angemessener Form zugänglich gemacht wurde. Der Roman „Transit“ von Anne Seghers ist darin nicht bloß ein Gegenstand, sondern der Ausgangspunkt für eine Recherche über die Geschichte und die Bedeutung der Stadt Marseille als Fluchtort aus dem besetzten Frankreich im Zweiten Weltkrieg. So fließen Passagen aus dem Roman, Reisebilder von den Straßen Frankreichs, Archivaufnahmen, Zeitzeugenberichte und historische Fakten mithilfe eines poetischen Off-Kommentars zusammen. Es entsteht ein Bewusstseinsstrom, der den von Seghers in den Jahren 1941 und 1942 in ihrem Exil in Mexiko beschriebenen Transit in einer Zeitreise aus dem Jahr 1977 nachzuvollziehen versucht.

An diesem Beispiel verdeutlichen sich auch die finanziellen und technischen Herausforderungen von aufwendigen Filmrestaurationen kleiner Produktionen, die ohne Förderung von außen für die Sendeanstalten nicht zu realisieren wären. Wie Dr. Barbara Buhl, Fernsehredakteurin des WDR, in einer Podiumsdiskussion darlegte, hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk keine Möglichkeiten, die Filme in den Archiven eigenständig zu restaurieren. Es stehen lediglich die technischen Mittel für eine einfache Digitalisierung zur Verfügung. Aus diesem Grund sind Kooperationen zwischen den Fernsehsendern und Institutionen wie der Deutschen Kinemathek oder der Fassbinder Foundation notwendig. Dabei geben die Sender ihre Archivmaterialien heraus und erhalten im Gegenzug restaurierte Sendekopien der Werke. Diese Lücke gilt es zu schließen, wobei das National Archive des British Film Institute in diesem Zusammenhang eine Vorreiterrolle einnimmt.

1 2 3