Virtual Nightmares – VR Horror meets Fulldome beim 34. Interfilm Berlin

Geisterbahn Deluxe, Retro-Horror mit Lagerfeuerromantik und Minimal-Psycho-Ekstase in einer Einstellung


interfilm nutzte seine 34. Ausgabe für das Programm: 360VR Virtual Nightmares – VR Horror Meets Full Dome. Foto: interfilm


VR-Filme sind nicht seit gestern in aller Munde. Die Welten von Gamern und Cineasten berühren sich mehr und mehr. Es geht voran. Das zeitgenössische Storytelling sucht neue Wege in den virtuellen Welten, und hat mit ganz eigenen Herausforderungen zu kämpfen. Ein Genre scheint wie vorherbestimmt für die neuen technischen Möglichkeiten: der Horror. Das Genre lebt von Schocks, Überraschungen und spielerischer Variation der angeborenen und anerzogenen Ängste. Plötzlich stehen den Zuschauer*innen mitten im düsteren Wald, wenden hektisch die Köpfe von links nach rechts, drehen sich im Kreis und wollen am liebsten die Beine in die Hand nehmen, doch die Kabel machen der kompletten Immersion ein jähes Ende. Man verheddert sich, verliert das Gleichgewicht, schlägt mit dem Hinterkopf erst gegen die Tischkante – aus einer Platzwunde spritzt Blut –, dann knallt die Stirn gegen einen Stahlmülleimer. Dabei zersplittert die VR-Brille und große und kleine Scherben picken das entsetzte Gesicht.

Wesentlich sicherer und ohne Brille konnte man im Zeiss-Großplanetarium eine exzellente Auswahl von VR-Filmen kollektiv in der 360°-Kuppel genießen. interfilm arbeitet seit vier Jahren mit dem Courant 3D zusammen. Das Festival in Angoulême ist das VR- und 3D-Kurzfilmfestival in Europa und vernetzt den Nischenmarkt. Junge VR- und 3D-Filmemacher*innen loten die künstlerischen und immersiven Potenziale der Dispositive aus. François Serre, Festivalleiter aus Angoulême, ist vor Ort in Berlin und sorgt für einen reibungslosen Ablauf des Experiments. Das Programm zeigt vom trashigen 80er Jahre Retrohorror, über Psycho- und Sci-Fi-Horror einem Kaleidoskop des Genres. Drei Filme werden in Anschluss vorgestellt.

Night Night“ von Guy Shelmerdine

Ein kleiner Junge wünscht sich im beschaulichen Kinderzimmer eine gute Nacht Geschichte: Smile. Sie erzählt von Clowns und einem freundlichen Metzger. Die Mutter küsst gute Nacht. Das Licht geht aus und nur das Lichtspiel wirft Affen und Elefanten an die Wand. Die müden Augen fallen zu. Es beginnt ein Spiel mit Schocks und Ängsten, die jeder aus der Kindheit kennt. Da ist etwas am Fenster, im Schrank oder unter dem Bett. Die verzerrt lächelnden Clowns suchen dem Jungen heim und er wacht schreiend auf. Die Mutter – zunehmend genervt – beruhigt den Kleinen. Bekannte Motive werden in „Night Night“ mit perfekten Timing und viel Spielfreude inszeniert. Die Zuschauer*innen verfolgen die Handlung aus der Egoperspektive des kleinen Rackers. So sitzen einige Schock auch im Full Dome heftig. Der szenische Raum wird zum Rummelplatz. Wände bewegen sich, Fenster wackeln, Gegenstände entwickeln ein Eigenleben. Eine wilde Achterbahnfahrt mitten in die Alptraumwelt des dunkeln Holzschranks und zurück. Bitte lächeln.

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