Interview mit Mišel Matičević, Hauptdarsteller in „Exil“ von Visar Morina

Mišel Matičević: "Wir Menschen lernen nur aus Schmerz und Leid"


Mišel Matičević spielt in „Exil“ Xhafer, der sich von seiner Umwelt diskriminiert fühlt. Foto: Alamode Film


Es gibt über Sie kaum einen Beitrag, in dem nicht Schlagworte wie Kerl, Macho oder Testosteron fallen. Können Sie das noch hören?
Nein.

Fühlen Sie darauf reduziert? Oder nehmen Sie das auch wie eine Art der Diskriminierung wahr?
Ich werde so wahrgenommen und dementsprechend wird über mich berichtet. Das Image wird mir von außen aufgedrückt. Ich hasse Images. Images sind unfassbar langweilig. Ein Image ist wie eine Schublade – und Schubladen sind langweilig. Das ist eine Reduktion, das trifft es gut. Früher habe ich versucht, mich mehr dagegen zu wehren. Ich habe niemals dieses Image bedient. Mittlerweile bin ich müde, immer wieder dagegen an zu gehen.

Wenn man Sie zum Beispiel bei Premieren beobachtet, hat man eher das Gefühl, dass das Drumherum – und dazu zählt eben auch ein Image in der Öffentlichkeit – eher lästig ist…
Sieht man das? Mist. Aber ja, ich mache da eher einen Bogen um den großen Auftritt herum.

Gehört das aber nicht zum Beruf dazu?
Das ist ein Teil des Spiels, den man mitmachen muss. Das hat auch seine Berechtigung und ist man dem Ganzen schuldig. Läuft dein Film zur Premiere auf der Berlinale, ist das ein Geschenk. Das ist fantastisch. Von daher ist es mir eher lästig, weil ich scheu bin. Das passt selbstredend auch nicht zum Image als Macho. Machos sind nicht scheu. Ich mache das mit, bin da aber nicht erpicht drauf. Es gibt Kollegen, die machen sich da einen Spaß draus, die gehen super damit um und machen das gerne. Ich weniger, bin aber immer mit dem Herzen bei meinem Filmen dabei.

Wenn Dominik Graf anruft, sind Sie dabei, das zeigt ihre gemeinsame Filmographie. Aber abgesehen davon: Wie wählen Sie Ihre Rollen aus?
Das ist eine Ausnahmestellung von Dominik. Mittlerweile gibt es da auch noch ein, zwei andere Regisseure, bei denen das so ist. Aber generell muss mich das Drehbuch ansprechen. Mein Bauchgefühl muss mir sagen, dass muss ich machen – und kein anderer auf der Welt. Mein Instinkt muss mir sagen, dass ich das machen will. Ich kann mich auf meinen Instinkt fast 100-prozentig verlassen.

Wie haben Sie diese Figur erarbeitet?
Das Buch war sehr dicht, gerade die Figur. In mir entstand meine Version von Xhafer. Die haben Visar Morina und ich in der Vorbereitungszeit abgeglichen. Haben überlegt, wie sieht er aus und wie reagiert er auf gewisse Situationen.

Herausragend gelingt Ihnen mit Ihrem Spiel die Darstellung des Drucks, der auf Xhafer lastet. Wenn er zu seinem Reihenhaus geht, wirkt es, als wäre da ein unsichtbarer, schwerer Rucksack auf seinem Rücken, der ihn belastet. Dann noch diese Hitze. Der Druck auf ihn wächst permanent, in der Familie wie im Job, er scheint einfach, nichts mehr richtig machen zu können. Was passiert mit jemandem, wenn er in eine solche Extremsituation getrieben wird?
Ob das stimmt oder nicht, ist offen. Aber Xhafer nimmt es so wahr. Er denkt darüber nach, ob da wirklich jemand gegen ihn arbeitet. In einem solchen Zustand des Zweifelns, gerät man in eine Krise und aus diesem Strudel wieder heraus zu finden, wird immer schwieriger. Das kann zu einem Punkt führen, an dem es sogar zu Gewalt kommt. Das erleben wir im Film. Man kann in Extreme verfallen. Druck, ob real oder nicht, macht etwas mit Menschen.

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Man ahnt es nicht, aber Sie sind 50 geworden. Macht das etwas mit Ihnen?
Die vierte Null war okay, bei der dritten Null dachte ich, jetzt wirst du langsam erwachsen, aber die fünfte Null, die fühlt sich schon nach zweiter Halbzeit an.

Die Fragen stellte Denis Demmerle.

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