Romeo und Julia in Brooklyn – Jewish Film Festival Berlin Festivalbericht Teil 2


Kann man einen Film als charmant bezeichnen? Falls ja, dann hat Leonid Prudovskys Debütfilm „Five Hours From Paris„, der bereits beim Haifa International Film Festival 2009 als bester israelischer Film ausgezeichnet wurde, diesen wohlmeinenden Zusatz verdient. Die Attitüde seines Films ist so ehrlich und sympathisch, dass man versucht ist zu sagen: Endlich. Mal kein Film über den Staat Israel, Religion, Terror oder Krieg. Stattdessen: Ein Film über gewöhnliche Menschen, Leid und Freuden der Liebe, über alltägliche Ängste und die Unzulänglichkeiten des Seins.

Israel produziert durchaus nicht nur Spielfilme mit ernsten Themen. Wann aber sieht man eindringliche Liebesgeschichten aus Israel schon mal auf hiesigen Leinwänden? Ihre Zahl lässt sich an fünf Fingern abzählen. Für einen deutschen Verleiher, geschweige denn für den internationalen Markt, sind sie kaum interessant. Deutschen Produktionen geht es da ganz ähnlich. Wenn sie im Ausland erfolgreich sind, dann mit Themen der jüngeren Geschichte. Ohne Krieg keine Kasse. Gerade deshalb wird man mit Prudovskys Debüt eines Besseren belehrt, liegt die Antwort auf der Zunge: Es gibt sie, diese kleinen, ruhigen, eben charmanten Filme aus Israel. „Five Hours From Paris“ spielt in Tel Aviv und zeigt lebenshungrige Menschen, die sich mit ihrem alltäglichen Selbst auseinandersetzen müssen. In diesem Fall ein Taxifahrer, der sich in die Musiklehrerin seines Sohnes verliebt und letztlich daran scheitert, dass ihn seine tiefgreifenden Ängste daran hindern, den entscheidenden Schritt in Richtung Glück zu wagen.

Romeo und Julia in Brooklyn

Romeo And Juliet In Yiddish“ ist ebenso überzeugend und faszinierend in seiner Einfachheit. Wie Prudovsky widmet sich Regisseurin Eve Annenberg der jüdischen Kultur von einem ungewohnten Blickwinkel. Ihre Protagonisten gehören der jiddisch-sprechenden Satmer-Gemeinde an, einer ultraorthodoxen Gemeinde in Brooklyn. Aufgewachsen ohne Kontakt zur Aussenwelt, entdecken sie durch Shakespeares Drama „Romeo und Julia“ die Welt. Annenbergs Spielfilm verknüpft auf bezaubernde Art und Weise die säkulare mit der orthodoxen Weltanschauung und spricht sich über die Literatur für einen verständnisvollen Umgang der Kulturen aus. Was liegt da näher als Shakespeares tragische Liebesdrama? Ebenso bemerkenswert: Annenberg gelingt es, die kinematographische Ebene – die Protagonisten des Film übersetzen das Stück ins Jiddische und nähern sich so dem quirligen New Yorks an – mit den realen Hintergründen ihrer Schauspieler zu verknüpfen, die tatsächlich der ultraorthodoxen Satmer-Gemeinde angehörten.

Mazel Tov

Thomas Bergmanns und Mischa Popps Dokumentarfilm „Mazel Tov“ läutete am Donnerstag schließlich das Ende der diesjährigen Ausgabe des Jewish Film Festivals ein. Die beiden Regisseuren begleiteten anlässlich des 9. Mai, dem Tag der Befreiung, ein Fest jüdischer Kriegsveteranen in Frankfurt am Main. Ihnen ist anhand von Interviews ein eindringliches Porträt der russischen Emigranten gelungen, die Anfang der 90er Jahre ihre Heimat verließen und nach Deutschland einwanderten. Drei Generationen berichten ohne Hass und mit großer Menschlichkeit von ihrem mehr oder weniger gelungenen Ankommen in der neuen Heimat, von ihrer jüdischen Identität und von dem Land, das zugleich auch das „Land der Täter“ ist.

Den beiden Regisseuren ist ein bewegender Einblick in die Lebenswelt russischstämmiger Juden gelungen und so war es nicht verwunderlich, dass „Mazel Tov“ den mit 2000 Euro dotierten Preis für den besten Dokumentarfilm gewann. Der Preis für den besten israelischen Film (3000 Euro) ging an „A Film Unfinished“ von Yael Hersonski. Den Gerhard-Klein-Publikumspreis, dotiert mit 2000 Euro, erhielt Eve Annenbergs gelungene Shakespeare-Adaption „Romeo And Juliet In Yiddish„.

Martin Daßinnies