„Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft“ (OT:“Genius“) von Michael Grandage


Insbesondere Jude Law schießt in seiner Präsenz und schauspielerischen Erträglichkeit öfters übers Ziel hinaus – zu schrill, zu schräg, zu karikiert wirkt seine Verkörperung von Wolfe, der im echten Leben sicherlich keine Schlaftablette war, durch die Performance von Law allerdings eine psychotische Mischung aus ADHS und bipolarer Störung aufzuweisen scheint. Firth hingegen, so sehr die Dominanz seines Schauspielkollegen ihn womöglich ins Abseits drängen könnte, ruht selbstsicher und zufrieden in seiner maßgeschneiderten Rolle, weshalb letztlich er bei näherem Hinsehen die treibende und strukturierende Kraft ist, wenn Verleger und Autor gemeinsam an diversen Passagen feilen, Kürzungen vornehmen oder versuchen, große Gefühle in simple, aber bedeutungsvolle Worte zu kleiden.

Wer dabei nun genau das Genie ist, lässt „Genius“ im Sinne einer freien Interpretation und eines egalitär angelegten Figurenduos, das irgendwo zwischen liebevoller Vater-Sohn-Beziehung und stürmischer Bromance changiert, konsequent offen. Nur so viel steht fest: Die Frauen sind es definitiv nicht. Einmal auf dem Abstellgleis geparkt, bleibt Kidman und Linney nicht viel mehr übrig, als sich in hysterischen Drohgebärden oder verständnisvollen Predigten zu ergehen, um den beiden männlichen Protagonisten bei ihren Streifzügen durch Jazzclubs, Abrisshäuser und zentnerschwere Manuskripte nicht dazwischen zu grätschen. Einst als stolze Musen und künstlerische Bereicherung im Leben ihrer Männer, verbleiben sie nun als verschmähte Ex- oder Hausfrauen, die für Perkins und Wolfe bestenfalls noch als autobiografische Restposten von Verwertbarkeit sind.

Ungeachtet der kleineren Patzer und dem daher etwas holprigen Start von Grandages Kino-Karriere, erweist sich der Film schlussendlich dennoch als ausreichend fähig, um Rührung und Anteilnahme bei seinen Betrachtern zu evozieren. Als Erstlingsprojekt durchaus klug gewählt, ist „Genius“ eine kleine Geschichte über eine bemerkenswerte freundschaftliche und künstlerische Symbiose, bei deren Umsetzung – metaphorisch gesprochen – etwas zu wohlmeinend mit dickflüssiger Theaterschminke nachgebessert wurde.

Alina Impe

„Genius“, Regie: Michael Grandage, DarstellerInnen: Colin Firth, Jude Law, Laura Linney, Nicole Kidman, Guy Pearce, Kinostart: 11. August 2016

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