69. Berlinale: „Fortschritt im Tal der Ahnungslosen“ von Florian Kunert


Im Berlinale Forum überzeugte „Fortschritt im Tal der Ahnungslosen“ von Florian Kunert. © tsb / Joanna Piechotta

„Unsere Heimat, das sind nicht nur die Städte und Dörfer…“

Florian Kunerts Dokumentarfilm legt den Finger in die Wunde einer ganzen deutschen Region, die kürzlich für eine Reihe fremdenfeindlicher Auseinandersetzungen im Rampenlicht der Medien stand.

Der junge deutsche Filmemacher, Jahrgang 1989, präsentiert mit „Fortschritt im Tal der Ahnungslosen“ im Forum der Berlinale einen Dokumentarfilm mit ruhigen Tönen, aber nachhaltiger Wirkung. Kunert zeigt mit erstaunlicher Sensibilität Menschen aus verschiedenen Kulturen, die versuchen, sich aneinander zu gewöhnen und porträtiert gleichzeitig einen Teil seiner eigenen Heimat, die irgendwie zwischen Vergangenheit und Gegenwart verloren ist. Das „Tal der Ahnungslosen“ wurde in der DDR die Region genannt, die zu weit von der West-Ost-Grenze entfernt war, um westliche Sendungen zu empfangen und daher von allen relevanten Nachrichten abgeschnitten war.

Es erscheint paradox, dass es in letzter Zeit genau diese Region ist, die von den Medien regelmäßig thematisiert wird. Rechte und neonationalistische Bewegungen finden hier scheinbar auf fruchtbaren Boden. Aggressionen und Demonstrationen gegen Ausländer waren bei der Welle syrischer Migranten der letzten Jahre besonders virulent.

Kunerts Experiment zielt darauf ab, Veteranen aus der DDR mit ihren neuen Mitbürgern zu konfrontieren. In einer alten ruinösen Staatsfabrik „Fortschritt“ treffen sie sich zu einem Deutschkurs. Während die älteren Einheimischen nostalgisch durch die Hallen gehen, erzählen die Syrer, wie erstaunt sie waren, dass sie hier ihr Lager aufschlagen sollten. Es erinnert zu sehr an die Kriegsruinen zu Hause. Einer der mürrischen ehemaligen Fabrikarbeiter auf der anderen Seite bemerkt, dass die Gäste sicherlich dankbar sind – oder sein müssen – für diesen sicheren Ort.

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