71. Berlinale: BAD LUCK BANGING OR LOONY PORN von Radu Jude – Goldener Bär


Jude geht es offensichtlich um die Entlarvung einer gesellschaftlichen Doppelmoral. Sexualität ist ein Teil der menschlichen Existenz. Pornos sind ohne Probleme auf einen Klick im Internet für jeden zugänglich. Gleichzeitig wird verächtlich auf Personen herabgeschaut, die vollkommen einvernehmlich in der Hitze des Moments ein Video aufgezeichnet haben, welches unter misslichen Umständen das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat. Und auf einmal maßt sich jede*r an, moralische Autorität zu besitzen und ein Urteil fällen zu können. Alldem stellt der Film die Vulgarität des Alltags gegenüber. Ein arroganter SUV-Fahrer parkt den Bürgersteig zu und beschimpft Emi auf üble Weise, als diese ihn darauf anspricht. Ein älterer Herr im Seemannsanzug verfolgt sie mit obszönen Kommentaren in der Innenstadt.

Vor allem ist LOONY PORN aber auch eine spontane Momentaufnahme des Corona-Jahres 2020. Im Gegensatz zum Großteil der Filme im diesjährigen Berlinale-Programm wird die Pandemie hier direkt thematisiert. Dies hängt mit der improvisierten Produktionsweise des Werks zusammen. Der Film wurde direkt nach dem Ende des ersten Lockdowns in Rumänien gedreht und das Filmteam war darauf bedacht, die bestehenden Regeln einzuhalten. Auch bei diesem Thema wollen es natürlich alle besser wissen, wie Jude in einer Szene parodistisch auf den Punkt bringt. Niemand habe Covid durch einen eucharistischen Löffel bekommen, behauptet eine Apothekenkundin an ihrem Smartphone. Gleich nachdem sie beteuert hat, dass Weihrauch Krebs heilen könne.

Gegen Ende schweift der Film etwas zu sehr ins Groteske ab und kann keinen vollkommen befriedigenden Abschluss finden. Allerdings stellt sich die Frage, ob man das in einer Gesellschaft wie dieser überhaupt kann. Filmische Diskurse werden jedenfalls nur selten derart spitz und mit einer solchen Experimentierfreude geführt.

Henning Koch

BAD LUCK BANGING OR LOONY PORN, Regie: Radu Jude, Darsteller*innen: Katia Pascariu, Claudia Ieremia, Olimpia Mălai, Nicodim Ungureanu, Alexandru Potocean, Andi Vasluianu

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