A DIFFERENT SUN von Reed Tang


Wie bereits erwähnt, hat Reed Tang in seinem Film talentierter Schauspieler*innen versammelt, die ihr Potenzial leider nicht ganz entfalten können. Das liegt größtenteils am Drehbuch, dessen Dialog so mit erklärenden Einschüben überladen ist, dass zwischen den Zeilen kaum Platz für Emotionen, Figurenentwicklung oder Mehrdeutigkeit bleibt. Natürlich hat der Film, auch einiges an Fakten zu vermitteln, verlässt sich dabei aber zu sehr auf die Sprachebene, anstatt auf visuelle Gestaltungsmittel zurückzugreifen. In diesem Sinne setzen Kameraarbeit und Bildsprache die Figuren und Drehorte nur wenig in Szene. Die gleichförmigen Bilder kommentieren möglicherweise das Leben in einer deutsche Kleinstadt, ändern sich aber auch dann nicht, als sich die Beziehung der Hauptfiguren zu ihrer neuen Heimat wendet.

A DIFFERENT SUN hat Schwächen, ist aber kein schlechter Film. Trotz unechter Akzente, ständiger Erklärungen und wackelnder Kamera, baut der Film Spannung auf. Es wird deutlich, wie sehr Qing und Yun sich bemühen, in eine Gesellschaft zu passen, die sie nicht verstehen und die im Gegenzug nur wenig Interesse an ihnen hat. Darüber hinaus gibt es berührende Momente der Freundschaft zwischen Lily und Nina und später auch zwischen Ninas Mutter Helen (Tessa Kim) und Yun. Auch wenn sich die Handlung von einem Deutschlandklischee zum nächsten hangelt, sind die meisten Figuren dreidimensional und überraschen mit Selbsteinsicht. Im Grunde erzählt der Film die Geschichte einer Eingewöhnung ohne Anpassung. Am Ende verstehen Qing, Yun und Lily ihr neues Zuhause besser und kommen mit ihren Mitmenschen zurecht, ohne dabei die Verbindung zu China, ihre Identität und Heimat, verloren zu haben. Diese Art von Transnationalismus ist im Kino nur selten, so selbstverständlich zu sehen.

Letztendlich ist A DIFFERENT SUN empfehlenswert, trotz Schwächen in der Inszenierung und im Drehbuch. Der Film blickt von außen auf Deutschland und greift auf Vorurteile zurück, die unangenehm sind. Die deutsche Gesellschaft streckenweise wird als Netz juristischer Streitigkeiten dargestellt, in denen die Beteiligten kalt auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und nichts lieber wollen, als Verantwortung an schmierige Anwälte abzugeben. Doch spiegelt dieser Blick auch unverblümt ein Bild, das Deutschland selbst projiziert. Als Zuschauer*in Vorurteile auf diese Weise zu konfrontieren, bietet Gelegenheit zur Reflexion. Ist es zum Beispiel wünschenswert, dass Menschen dieses Land so wahrnehmen? Und wo greifen deutsche Filme auf Klischees zurück, die andere Menschen reduzieren? A DIFFERENT SUN dreht „Othering“ gewissermaßen um. Bei „Othering“ werden Menschen, die beispielsweise einer anderen Kultur angehören fremd gemacht und erscheinen so als anders und unverständlich, oft mit dem Ziel, die eigene Gemeinschaft zu stärken. Die privilegierten weißen Deutschen erscheinen merkwürdig und fremd, was im Kino sonst selten vorkommt und einen dringend notwendigen Per­s­pek­ti­ven­wech­sel ermöglicht.

Theresa Rodewald

A DIFFERENT SUN, Regie: Reed Tang, Darsteller: Chin Han, Ashley Gerasimovich, Danni Wang, Jing Xu, Tessa Kim, Waltrudis Buck, Christopher J. Domig, Adam Harrington, ab 3. Dezember 2020 auf DVD und Blu-ray

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