„Bande de filles“ („Girlhood“) von Céline Sciamma


Die Französische Filmwoche präsentiert "Bande de filles" ("Girlhood" von Céline Sciamma im Rahmen der LUX-Filmtage des Europäischen Parlaments. (c) Frz. Filmwoche

Die Französische Filmwoche präsentiert „Bande de filles“ („Girlhood“ von Céline Sciamma im Rahmen der LUX-Filmtage des Europäischen Parlaments. (c) Frz. Filmwoche

Ein Fausthieb in Richtung Patriarchat

Weiblichkeit und Repräsentation vertragen sich selten. Obgleich das Kino sich in den letzten Jahren auch vermehrt feministische Erzählperspektiven und vielschichtigeren Charakteren zugewandt hat, dominiert ein Gros an Stoffen, die Weiblichkeit und Frausein entlang schematischer Schablonenhaftigkeit verhandeln. Beachtenswerte Ausnahme: Die zweite Jugend der älteren Frau jenseits der 50, wie sie in Filmen wie „Gloria“ thematisiert wird. Selten hingegen finden sich Narrative über Frauen zwischen 16 und 30, die sich – Schock schwere Not – mit anderen Dingen als ihrer heteronormativen Paarbeziehung befassen. Rühmliche Ausreißer wie „Frances Ha“ schaffen es scheinbar höchstens im Zweijahresturnus auf die Leinwand.

Weiterlesen: Unsere Kritik „Eine Sternschnuppe, die sich weigert zu verglühen zu „Gloria“ von Sebastián Lelio.

Mit „Bande de filles“ tritt nun also eine französische Nachwuchsproduktion den Beweis an, dass es lohnt, eine junge Frau in ihrer ganzen Komplexität zu beleuchten. Vielleicht könnte man sogar so weit gehen und von feministischer Systemkritik sprechen.

Die 16-jährige Marieme wächst in den grauen Wohnblocks der Banlieues auf. Daheim ersetzt sie ihren Geschwistern die ständig arbeitende Mutter und muss zudem versuchen, sie vor ihrem großen, gewalttätigen Bruder zu schützen, der die Rolle des Patriarchen übernommen hat. Als Marieme nicht zur Oberstufe zugelassen wird, entscheidet sie sich gegen das Schicksal ihrer Mutter, die als Putzfrau in den Krankenhäusern der weißen herrschenden Elite schuftet: Sie schließt sich einer Mädchengang an, die sich durch Diebstähle, Straßenkämpfe und ritualisiertes Geklüngel einen zentralen, Angst einflößenden Status innerhalb ihres Wohnblocks erarbeitet. Hier erlebt sie zum ersten Mal Freiheit, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Doch auch die Rolle des „böses Mädchens“ ist entlang bestimmter Normen definiert: Mariemes Wunsch, selbstbestimmt zu leben, kollidiert immer mehr mit den familiären Anforderungen und gesellschaftlichen Erwartungen. Eine Kollision, die schlussendlich zur Eskalation führt.

Weiterlesen: Die Kritik „Leben ist, was dazwischen passiert“ von Alina Impe zu „Boyhood” von Richard Linklater.

Es ist eine schicksalshafte, fatalistische Geschichte, die „Bande de filles“ zeigt, voller Falltüren, ohne lichtgleißende Türspalte. Optimismus braucht niemand zu suchen. Regisseurin Céline Sciamma setzt den individualistischen, männlichen Selbstfindungstrips des Films (man denkt beim englischsprachigen Titel „Girlhood“ nicht umsonst an Richard Linklaters „Boyhood„) die weibliche Emanzipationsgeschichte einer jungen Frau entgegen, die sich mit aller Macht gegen systeminhärente Zwänge wehrt.

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